Wird Milei die großen Erwartungen erfüllen?

Viele Menschen in Argentinien wünschen sich, dass das Reformprogramm des Präsidenten Erfolg hat. Auch für die deutsche Wirtschaft und Politik ist er zum neuen Hoffnungsträger geworden.

von Alexander Busch, Lateinamerika-Korrespondent für Handelsblatt und NZZ

 

Im Moment geben sich in Buenos Aires deutsche Delegationen die Klinke in die Hand: Allein letzte Woche kamen zwei Ausschüsse des Bundestages, Vertreter des Wirtschaftsministeriums sowie der Bundesbank nach Argentinien. Weitere Besuchergruppen sollen folgen.

Das Interesse der deutschen Politik und Wirtschaft an Argentinien ist neu. Zwar ist Argentinien ein traditionell wichtiges Partnerland Deutschlands in Lateinamerika. Dennoch stand es wegen seiner wirtschaftlichen und politischen Dauerkrise lange nicht mehr im Blickpunkt der deutschen Öffentlichkeit.

Das ändert sich gerade. Das liegt vor allem an Javier Milei, der das Land als Präsident seit rund drei Monaten regiert. Der politische Quereinsteiger Milei hat durch seinen rasanten Aufstieg vom überraschend gewählten Abgeordneten vor drei Jahren bis zum Wahlsieg im November letzten Jahres einen Kulturwandel in der Politik und Gesellschaft Argentiniens ausgelöst.

Das liegt an seinem radikalen Reformprogramm, das er genauso durchführt, wie im Wahlkampf angekündigt. Damit will er das chronische Haushaltsdefizit reduzieren und verhindern, dass der Staat sich weiter mit der Notenpresse finanziert. Argentinien soll endlich ein Land mit einer stabilen Währung werden.

Trotz der radikalen Einsparungen und den damit verbundenen sozialen Zumutungen setzt die Mehrheit der Bevölkerung weiterhin ihre Hoffnungen in den 53-jährigen Ökonomen. Das ist erstaunlich, denn die Armut hat stark zugenommen. Staatliche Leistungen – für Schulen, Energie, Transport – und Subventionen hat die Regierung gestrichen oder passt sie nicht mehr der Inflation an. Das bedeutet, dass die Menschen über immer weniger Kaufkraft verfügen.

Gleichzeitig fährt Milei weiterhin einen Konfrontationskurs gegen die etablierte Politik, die „Kaste“, wie er sie nennt. Die sei verantwortlich für Argentiniens hundertjährigen Abstieg. Diese Kritik macht ihn weiterhin populär unter seinen Anhängern.

Doch es erschwert den politischen Konsens, den auch die Regierung irgendwann braucht, um ein nachhaltiges Reformpaket auf die Beine zu stellen. Denn derzeit werden die Kosten der Anpassung vor allem den Armen, Rentnern und allen Beziehern staatlicher Leistungen aufgebürdet.

Die Regierung versucht nun, mit den Gouverneuren einen Konsens zu finden, und will so auch im Kongress einem Kompromiss näherkommen. Doch mit seinen ständigen Provokationen gegenüber den Politikern droht Milei den Bogen zu überspannen. Auch in der Bevölkerung sinkt das Verständnis für seine aggressiven Tiraden, wenn ihm etwas nicht in den Kram passt.

Seine Strategie ist riskant: Die Regierung hofft, dass die Inflation weiter sinkt. Dann könnten in der zweiten Jahreshälfte auch die derzeitige Rezession von einem ersten Wachstum abgelöst werden.

Eine Umfrage des Industrieverbandes Union Industrial Argentina vom Februar zeigt den Stimmungsumschwung im Vergleich zum Vorjahr: Damals sahen die Unternehmer die Zukunft für die Wirtschaft tiefschwarz. Jetzt haben sich die Aussichten für die Hälfte der Mitglieder deutlich aufgehellt.

Doch entscheidend wird sein, dass die Mehrheit der Bevölkerung weiterhin davon überzeugt ist, dass Milei auf dem richtigen Kurs ist – nur dann hat der Präsident eine Chance, seinen radikalen Reformkurs weiter fortzusetzen.

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China startet eine neue Investitionsoffensive in Südamerika

Brasilien wird zur Blaupause für die Expansion, bei der sich Chinas Unternehmen zunehmend in die Wertschöpfungsketten der Industrie sowie in Forschung und Entwicklung in der Region einkaufen. Damit machen sie vor allem westlichen Konzernen Konkurrenz.

von Alexander Busch, Lateinamerika-Korrespondent für Handelsblatt und NZZ

 

Aus der Drei-Millionen-Einwohner-Metropole Salvador im Nordosten Brasiliens haben sich in den letzten Jahren mehrere ausländische Unternehmen zurückgezogen: Ford schloss dort vor drei Jahren seine größte Fabrik in Südamerika. Auch Siemens Energy und General Electric stoppten letztes Jahr ihre Fertigungen von Windturbinen.

Dagegen starten Konzerne aus China dort gerade durch: BYD, der weltweit führende Fabrikant von Elektrofahrzeugen, hat die ehemalige Fabrik von Ford übernommen. Dort wird der Konzern noch in diesem Jahr E-Autos und Lastkraftwagen bauen. Eine Lithium-Verarbeitung und Batterie-Produktion sind ebenfalls geplant. BYD hat zudem Forschungskooperationen an mehreren technischen Universitäten Brasiliens gestartet.

Gleichzeitig will der chinesische Turbinenbauer Goldwind im ehemaligen Werk von GE Windkraftanlagen bauen. Für künftige Aufträge ist gesorgt: CGN Brazil Energy, ebenfalls aus China, will in einem 14 Gigawatt-Windpark im Landesinneren grünen Wasserstoff herstellen.

Ein Konsortium aus drei chinesischen Baukonzernen hat die Ausschreibung für eine 12 Kilometer lange Brücke über die Bucht vor Salvador gewonnen. Derzeit finden Testbohrungen statt. Bis Jahresende soll der Bau beginnen. Die Finanzierungen kommen unter anderen von der CAF („Andenbank“), einer der wichtigen westlichen Förderbanken in Lateinamerika.

„China spricht offiziell von einer „neuen“ Infrastrukturpolitik für Lateinamerika“, beobachtet Margaret Myers, Leiterin des Asien- und Lateinamerika-Programms des Inter-American Dialogue, einem einflussreichen Think-Tank aus Washington. Brasilien wirkt dabei wie eine Blaupause, die künftig für ganz Südamerika gelten soll.

Nicht mehr die Energie- und Rohstoffsicherung Chinas stehe dabei im Zentrum der Investitionen in Lateinamerika, wie in den letzten 20 Jahren. „Der Schwerpunkt liegt auf innovationsbezogenen Sektoren“, sagt Myers. Doch damit bekommen die westlichen Unternehmen in Lateinamerika Konkurrenz: „Chinas Investitionen in Lateinamerika und der Karibik nehmen in Sektoren zu, denen viele G7-Staaten selbst Priorität eingeräumt haben“, so Myers.

So wie Deutschland: Seit einem Jahr haben die deutsche Regierung und Wirtschaft in Südamerika eine Offensive gestartet, um den Zugang zu Märkten und wichtigen Rohstoffen zu sichern. Bisher lockten deutsche Regierungs- wie Wirtschaftsvertreter immer mit dem Pfand der gemeinsamen Forschung und Entwicklung sowie dem Technologie-Transfer. Damit unterscheiden sie sich – zumindest in der Eigenwahrnehmung – von anderen Interessenten in Lateinamerika.

Doch nun investieren auch Chinas Konzerne in grünen Wasserstoff, nachhaltige Stromgewinnung, E-Mobilität, gemeinsame Forschung und Entwicklung.

Wie schnell China traditionell starke Positionen der deutschen Industrie in Brasilien besetzt, das zeigt sich in der Fahrzeugbranche: Nicht nur BYD, auch GWM bauen Fabriken in Brasilien. „Great Wall Motors“ hat die erst 2016 von Mercedes im Inland von São Paulo eingeweihte und kurz danach wieder geschlossene Fabrik übernommen. Die Nachfrage nach Elektrofahrzeugen ist in Brasilien explodiert. Im ganzen Land öffnen Showrooms für chinesische E-Fahrzeuge.

Die chinesische Expansion in die industriellen Wertschöpfungsketten in Südamerika dürfte anhalten. Für Marcos Caramuru, Brasiliens Ex-Botschafter in Peking, würden sich Chinas Unternehmen angesichts der zunehmenden geopolitischen Spannungen den Zugang zu großen Konsummärkten wie Brasilien sichern wollen. Denn es sei abzusehen, dass die Märkte der USA und Europas sich weiter verschließen.

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Wie die Wahlen in El Salvador die Politik in Lateinamerika beeinflussen könnten

Nayib Bukele wurde als Präsident El Salvadors mit einem Rekordergebnis wiedergewählt. Seine Politik der harten Hand gegen die Kriminalität und den Rechtsstaat dürfte in der Region Nachahmer finden.

von Alexander Busch, Lateinamerika-Korrespondent für Handelsblatt und NZZ

 

Bei den Wahlen in El Salvador konnte der Amtsinhaber Nayib Bukele – wie erwartet – einen klaren Erdrutschsieg erzielen: Im Kongress werden seiner Partei „Neue Ideen“ 58 der 60 Sitze gehören. Über 80 Prozent der Wähler dürften für ihn gestimmt haben.

Das offizielle Ergebnis steht noch aus. Das hinderte Bukele, den nach eigener Aussage „coolsten Diktator de Welt“ nicht, schon seinen Sieg zu feiern.

Mit einer Popularitätsrate zwischen 80 und 90 Prozent ist der 42-jährige Bukele der mit Abstand populärste Präsident Lateinamerikas. Davon können fast alle Amtsinhaber in der Region nur träumen. Umso wahrscheinlicher ist, dass Bukeles politische Strategie in Lateinamerika Nachahmer finden wird.

Denn Bukele konnte mit seiner ultra-repressiven Politik gegen die Kriminalität in nur zwei Jahren das einst gefährlichste Land zum sichersten in der Region machen.

Bukele ließ fast 100.000 mutmaßliche Gangmitgliedern verhaften. El Salvador ist mit rund 1.100 Inhaftierten pro 100.000 Einwohner inzwischen das Land mit den weltweit meisten Inhaftierten. Rund sieben Prozent aller 14- bis 29-jährigen Männer sitzen in Haft – die meisten ohne Urteil. Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch und westliche Regierungen protestieren gegen die staatliche Willkür.

Doch die Bevölkerung unterstützt seine Politik – auch Menschen, deren Familienmitglieder von der staatlichen Willkür betroffen sind. Die Flüchtlingsströme aus El Salvador in die USA haben abgenommen.

Das könnte Bukeles Politik zur Blaupause für andere Regierungen in Lateinamerika machen: Denn in allen Staaten leidet die Bevölkerung unter Gewalt und der zunehmenden öffentlichen Unsicherheit.

Im Moment scheint, der gerade angetretene Präsident Daniel Noboa in Ecuador die Repressionspolitik Bukele gegen die organisierte Kriminalität und die explodierende Gewalt anwenden zu wollen. Auch der argentinische Präsident Javier Milei in Argentinien hat einen harten Kurs gegen die Kriminalität versprochen.

Sicherlich werden bei den kommenden Wahlen in Lateinamerika Kandidaten mit solchen „Mano-duro“-Programmen zu einer Alternative für die Wähler werden. Die Regierungen in fast allen Ländern reagieren hilflos und ohne Plan auf die wachsende Kriminalität.

Die Folge: Die Politik in Lateinamerika dürfte autoritärer werden. Denn Bukele hat den Rechtsstaat weitgehend ausgehebelt, seit er die Judikative mit Gefolgsleuten besetzt hat. Die Wahlrichter erhoben keinen Einspruch gegen seine von der Verfassung nicht vorgesehene Wiederwahl. Die Legislative hat er erst eingeschüchtert und mit den Wahlen ist El Salvador jetzt zu einem Einparteiensystem geworden. Bukele kann nun ganz legal schalten und walten, wie er will.

Die Erfahrungen in Lateinamerika zeigen, dass eine durch die Gewaltenteilung unbeschränkte Exekutive fast immer zu autoritären Regimen führt. Venezuela und Nicaragua sind dafür die augenfälligsten Beispiele.

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Ausblick 2024: Kann Lateinamerika seine lange Stagnation hinter sich lassen?

Die Chancen dafür stehen gut und die Aussichten sind positiv, denn das weltweite Interesse an Lateinamerika nimmt zu. Die Region profitiert davon, stabil zu sein in einer Welt zunehmender Krisen. Gleichzeitig wächst ihre Bedeutung als Lieferant für Energie, Lebensmittel und Rohstoffe. Politische Risiken bleiben jedoch.

von Alexander Busch, Lateinamerika-Korrespondent für Handelsblatt und NZZ

 

Die Wachstumsaussichten für Lateinamerika bleiben stabil. Fast alle Ökonomien werden dieses Jahr wachsen, wenn auch auf niedrigem Niveau. In Chile, Peru und Uruguay wird die Konjunktur im Vergleich zum Vorjahr anziehen, so die Prognose der Investmentbank JP Morgan. In Brasilien, Ecuador und Mexiko wird das Wachstumstempo gegenüber 2023 abnehmen.

Dennoch sind solche Prognosen zurzeit mit Vorsicht zu genießen: Denn die Vorhersagen für Lateinamerika liegen weit auseinander. So rechnet das Institute für International Finance in diesem Jahr mit einem Wachstum von 2,6 Prozent für Lateinamerika. Oxford Economics erwartet, dass die sechs größten Ökonomien in Lateinamerika nur 0,7 Prozent zulegen werden.

Im vergangenen Jahr hatten die meisten Investmentbanken zum Beispiel das Wachstum für Brasilien deutlich niedriger eingeschätzt, als es sich tatsächlich entwickelte: Statt zu stagnieren, wuchs das Land um drei Prozent.

Lateinamerika erlebt eine Charmeoffensive aus Europa

Positiv für Lateinamerikas Konjunktur ist, dass die Inflation in fast allen Staaten zurückgeht – bis auf die notorischen Ausnahmen Argentinien und Venezuela. Damit werden die Zinsen in den meisten Ländern sinken und die Investitionen tendenziell steigen.

Einen strukturellen Wachstumsschub für Lateinamerika könnte mittelfristig das steigende Interesse an der Region bewirken.

Im vergangenen Jahr bemühte sich Europa intensiv um Lateinamerika. Ständig waren europäische Staatsoberhäupter und Delegationen zu Besuch. Erstmals nach acht Jahren fand wieder ein EU-Lateinamerika-Gipfel statt, genauso wie Deutsch-Brasilianische Regierungskonsultationen vor wenigen Wochen. Mit Chile unterzeichnete die EU ein modernisiertes Abkommen, mit Mexiko steht die Unterzeichnung kurz bevor. Schon lange nicht mehr engagierten sich die Regierungen in Europa so deutlich, um das Abkommen mit dem Mercosur abzuschließen – bisher ohne Ergebnis.

Europa reagiert damit auf die gewachsene strategische Bedeutung Lateinamerikas – jedoch später als China und die USA, die schon lange ihre Beziehungen zu der Region intensivieren. Auch die wohlhabenden Nahoststaaten werden gerade zu wichtigen Investoren und Handelspartnern Lateinamerikas. Genauso wollen Indien und andere asiatische Staaten ihre Beziehungen ausbauen.

Lateinamerika ist so groß wie USA und China zusammen mit nur einem Drittel der Menschen

Ein Grund für das gestiegene Interesse ist, dass Lateinamerika nicht nur große Mengen an Agrarprodukten, Energie und Metallen produziert, sondern davon Überschüsse erwirtschaftet, weil es selbst wenig verbraucht. Zum Vergleich: Lateinamerika hat eine Fläche etwa so groß wie China und die USA zusammen. Doch lebt dort mit 650 Millionen Menschen nur rund ein Drittel der Bevölkerung der beiden Großmächte.

Lateinamerika wird seine Vorrangstellung auf einzelnen Rohstoff- und Energiemärkten weltweit noch ausbauen: Schon jetzt hat es bei einzelnen Produkten eine führende Position. Fast die Hälfte der globalen Lithiumreserven befinden sich in Südamerika. Neben Chile und Argentinien bauen auch Brasilien, Mexiko und Ecuador die Produktion aus. Peru und Chile bedienen 40 Prozent der weltweiten Kupfernachfrage.

15 Prozent der weltweiten Öl- und Gasreserven liegen auf dem Kontinent. Brasilien und Guyana sowie möglicherweise schon bald Argentinien steigern ihre Exporte massiv.

Lateinamerikas Farmer liefern knapp die Hälfte der auf dem Weltmarkt gehandelten Agrarprodukte für die Lebensmittelproduktion. Die Bedeutung der Landwirtschaft der Region für die Sicherung der Ernährung weltweit wird weiter zunehmen.

Neben decoupling und reshoring könnte die Region von powershoring profitieren

Doch es gibt auch einen anderen, neuen Grund für die gewachsene Attraktivität Lateinamerikas: Die Region profitiert davon, stabil dazustehen in einer instabilen, kriselnden Welt. Zwar drohen auch in Lateinamerika neue Spannungen zwischen einzelnen Staaten. Doch die Region hat seit 100 Jahren keinen Krieg mehr erlebt. Zudem ist sie weit entfernt von den derzeitigen und potenziellen Konfliktherden in Europa, Nah- und Fernost.

Das macht Lateinamerika attraktiver für Unternehmen, die ihre Fertigungsketten in sicherere Regionen verlegen wollen. Die Stichworte sind decoupling und reshoring. Mexiko und Zentralamerika profitieren bereits jetzt von diesem Trend. US-Konzerne investieren nicht mehr in China, sondern errichten ihre neuen Fabriken näher an ihren Heimatmärkten.

Der Trend zur Verlagerung der Werke nach Lateinamerika durch weltweite Konzerne steht erst am Anfang. Er dürfte noch zunehmen. Das liegt auch an der nachhaltigen Energiematrix des Kontinents: Nirgendwo sonst auf der Welt werden im Durchschnitt 60 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energiequellen gewonnen – und die Nachhaltigkeit nimmt weiter zu. Der Strom in Staaten wie Uruguay, Paraguay oder Costa Rica wird fast ausschließlich nachhaltig gewonnen. Für Industrieunternehmen, die ihre Emissionsbilanz verbessern wollen, ist das zusätzlich attraktiv für eine Standortentscheidung. Das Stichwort hier lautet powershoring. Zumal Lateinamerika auch die Voraussetzungen hat, bei der Produktion von grünem Wasserstoff weltweit an der Spitze mitzuspielen.

Die Regierungen müssen die Chance nutzen

Die Financial Times beschrieb die historische Gelegenheit für den Kontinent gerade so: Lateinamerika hat seine beste Chance seit einer Generation. Die einzigartigen Vorteile der Region bieten eine außergewöhnliche Möglichkeit, wenn es den Regierungen gelingt, sie zu nutzen.

Aktuell sind die größten Risiken in Lateinamerika: China, die überforderte Politik und die organisierte Kriminalität.

So ist China wichtigster Absatzmarkt für Lateinamerikas Exporteure geworden und in vielen Staaten der größte Investor. Die Wachstumsflaute in Fernost schlägt sich noch nicht in den Handelsbilanzen der Staaten nieder. Es könnten jedoch Ausfälle drohen. Ebenso bleibt abzuwarten, wie Chinas Investitionen sich weiterentwickeln. Sollte es zu einem Konflikt Pekings mit Taiwan kommen, dann könnten die lateinamerikanischen Unternehmen Probleme bekommen, ihre Produkte nach Fernost zu verkaufen.

Zwar haben sich die Demokratien in der Region beim letzten Wahlzyklus als widerstandsfähig gezeigt. Doch den gewählten Regierungen fällt es schwer, ihre Programme und damit den Wählerauftrag umzusetzen: Soziale Proteste sowie gespaltene und damit gelähmte Parlamente behindern die Exekutiven in Chile, Peru, Kolumbien – und möglicherweise bald in weiteren südamerikanischen Ländern wie Argentinien.

Dieses Jahr stehen in den großen Ökonomien des Doppelkontinents nur Wahlen in Mexiko im Juni an. Dort hoffen die Unternehmen, dass die Nachfolgerin des Präsidenten Andres Manuel Lopez Obrador, eine investorenfreundlichere Politik umsetzen wird. Denn die Aussichten für Mexiko sind aus unternehmerischer Sicht gut.

Die autoritären Regime in Venezuela, Kuba und Nicaragua schneiden bei der Krisenbewältigung schlechter ab: Lateinamerika erlebt vor allem aus diesen Ländern eine historische Emigration.

Zusätzlich belastend ist die organisierte Kriminalität. Drogenbanden fordern zunehmend die Staaten heraus. Es wird schwerer, deren Macht einzudämmen. Die Kosten für die Gesellschaften steigen mit der wachsenden Unsicherheit. Obwohl nur rund acht Prozent der Weltbevölkerung in Lateinamerika leben, finden dort ein Drittel der Morde weltweit statt.

Die Experten von Latam Investor fassen die Vorteile Lateinamerikas kurz und bündig so zusammen: Lateinamerika sei friedlicher als Osteuropa, weniger korrupt als Afrika und demokratischer als Asien.

Papagei
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2023 – das Jahr, in dem die Geopolitik nach Südamerika kam

Die Region wird zunehmend in die Auseinandersetzungen der Weltmächte hineingezogen und lokale Konflikte drohen, geopolitisch aufgeladen zu werden.

von Alexander Busch, Lateinamerika-Korrespondent für Handelsblatt und NZZ

 

Noch Anfang dieses Jahres dominierte in der südamerikanischen Politik die Auffassung, dass die großen geopolitischen Auseinandersetzungen hier wenig Einfluss hätten. Ukraine-Russland, China-USA – das alles fand so weit entfernt statt, dass diese Konflikte in der Region kaum Auswirkungen haben könnten. Im Gegenteil: Man hegte die leise Hoffnung, dass Südamerika Krisengewinnler sein könnte.

Die Welt brauchte plötzlich mehr Rohstoffe und Energie von dort. Das galt für Lebensmittel und Öl genauso wie für Erze wie Lithium oder Kupfer. Südamerika schien die Region zu sein, die für Ausfälle und Veränderungen auf dem Weltmarkt einspringen konnte: Für die bedrohten Ernten in der Ukraine, das mit Sanktionen belegte russische Öl sowie bei den für die Energiewende benötigten Technologien, die Rohstoffe brauchten.

Mehr noch: In Südamerika hoffte man sogar, dass die Ökonomien der Länder durch neue Investitionen ausländischer Konzerne profitieren könnten. Stichwort: Friend- oder Nearshoring. Damit ist gemeint, dass Multis weltweit ihre Fabriken aus China abziehen und in andere Regionen verlegen könnten.

Doch es kam anders: Von Nearshoring ist in Südamerika noch nichts zu spüren – in Mexiko oder Mittelamerika mag das anders sein. Aber hier halten sich die Multis mit Investitionen sogar eher zurück.

Tatsächlich profitiert hat die Region zeitweise von den steigenden Preisen für Agrarprodukte, Energie und industrielle Rohstoffe, doch der Effekt ist inzwischen verpufft.

Als falsch dagegen erwies sich die Vorstellung, dass die weltweiten Spannungen nur gefiltert in Südamerika ankommen würden.

Ein Beispiel dafür, war der Amtsantritt des Präsidenten Javier Milei in Buenos Aires. Dort kam es zu einer ungewöhnlichen Szene: Plötzlich standen sich der ungarische Präsident Victor Orbán und Wolodymyr Selensky aus der Ukraine gegenüber und führten einen intensiven Disput. Mit Argentinien oder Südamerika hatte der wenig zu tun.

Außerdem schwelen Konflikte in der eigenen Nachbarschaft, so wie jetzt zwischen Venezuela und Guyana. Diese regionalen Auseinandersetzungen drohen, geopolitisch aufgeladen zu werden.

Denn in der Karibik stehen die USA auf Seiten Guyanas und Russland unterstützt Venezuela. Putin hat das Karibikland militärisch hochgerüstet. Auch China zieht im Hintergrund seine Fäden, weil es mit beiden Staaten politisch wie wirtschaftlich eng verbunden ist. Der venezolanische Machthaber Maduro scheint Putins Vorgehen gegenüber der Ukraine als Blaupause genommen zu haben.

Nun schauen alle auf Brasilien als Regionalmacht: Kann Präsident Luiz Inácio Lula da Silva den Konflikt vor seiner Haustür lösen? Brasilien steht vor dem größten außenpolitischen Problem seit Jahren. Präsident Lula sagt zu Recht: „Was wir wirklich nicht in unserer Region brauchen können, ist ein Krieg.“

Tatsächlich ist es seit langem ein Standortvorteil Südamerikas, dass es kaum regionale Konflikte gibt. Zwar ist die öffentliche Sicherheit wegen der hohen Kriminalität gering, aber Kriege zwischen Nationen gab es schon lange nicht mehr, wenn man von den kurzen Auseinandersetzungen zwischen Peru und Ecuador vor knapp 30 Jahren absieht.

Das ändert sich gerade: Es scheint, als sei die Geopolitik plötzlich nach Südamerika gekommen. Die Region wird zunehmend in die Auseinandersetzungen der großen Mächte hineingezogen und ist in der Weltpolitik nicht mehr wie bisher der ferne Kontinent.

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Befinden sich EU und Mercosur im Endspurt zum Abkommen?

Es dürfte der wohl letzte Versuch sein, das Vertragswerk zwischen der EU und Südamerika noch zu retten. Vor allem der brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva wirft sich mächtig ins Zeug, um noch zu einem Ergebnis zu kommen. Zieht die EU mit?

von Alexander Busch, Lateinamerika-Korrespondent für Handelsblatt und NZZ

 

Zwei Monate war der brasilianische Präsident Lula nach seiner Hüftoperation nicht mehr ins Ausland gereist. Doch jetzt hat er eine furiose Tour gestartet, die – mit etwas Glück und Geschick – mit einem krönenden Abschluss zu Ende gehen könnte. Die Hoffnungen in Brasilien sind groß, dass Lula nach seinen Staatsvisiten in Dubai und Berlin beim Treffen des Mercosur am 7. Dezember in Rio de Janeiro mit den anderen südamerikanischen Präsidenten das Abkommen zur größten Freihandelszone der Welt verkünden kann.

Das Timing von Lulas Agenda ist perfekt: In Dubai wird Lula bei der Klimakonferenz als Weltklimaschützer auftreten. Die Präsidenten der USA und China reisen nicht an. So dürfte der brasilianische Präsident mehr Aufmerksamkeit bekommen. Mit 2400 Teilnehmern ist die brasilianische Delegation die größte der Konferenz.

Lula wird dort verkünden, dass seit seinem Amtsantritt im Januar dieses Jahres bis Oktober die Rodungen im Amazonasgebiet um fast 50 Prozent zurückgegangen sind. Das ist ein großer Erfolg – und wird den Gegnern des Mercosur-Abkommens in der EU den Wind aus den Segeln nehmen. In Dubai will sich Lula zudem mit der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen treffen, um die letzten Hindernisse beim Abkommen aus dem Weg zu räumen.

Danach wird Lula ab dem 4. Dezember für die deutsch-brasilianischen Regierungskonsultationen mit seinen wichtigsten Ministerinnen und Ministern in Berlin auftreten. Zwei Dutzend bilaterale Abkommen sollen unterzeichnet werden.

Brasilien ist das einzige Land in Nord- und Südamerika mit dem Deutschland Regierungskonsultationen unterhält. Das erste – und letzte Mal – fanden sie 2015 statt. Mit der Regierung Lula will Berlin die Zusammenarbeit wieder intensivieren. Auch mit dem Bundeskanzler wird Lula über die künftige Zusammenarbeit zwischen der EU und dem Mercosur sprechen.

Beim Mercosur-Gipfel am 7. Dezember in Rio de Janeiro könnte dann das Abkommen verkündet werden. Dabei ist wichtig, dass die designierte Außenministerin Argentiniens gerade in Brasília erklärt hat, dass die am 10. Dezember antretende Regierung unter Präsident Javier Milei das EU-Mercosur-Abkommen unterstützt.

Jetzt oder nie – die Chancen, dass das Abkommen noch nächstes Jahr zu Ende verhandelt und abgeschlossen werden könnte, sind gering.

Paraguays Staatschef Santiago Peña Palacios hat bereits verkündet, dass der Mercosur unter seiner Präsidentschaft, die in Rio beginnen wird, nicht weiter mit der EU verhandeln wird. Uruguays Präsident Luis Alberto Lacalle Pou hat letzte Woche auf seinem Staatsbesuch in Peking erklärt, dass er mit China und dem Mercosur ein bilaterales Abkommen aushandeln wolle. Das Argument: Die EU komme nicht voran.

Die Mercosur-Diplomaten haben schon vorgesorgt, sollte das Abkommen mit der EU doch noch auf den letzten Metern scheitern: In Rio soll Bolivien als Vollmitglied in den Mercosur aufgenommen werden. Gleichzeitig wird die südamerikanische Wirtschaftsgemeinschaft mit Singapur ein Freihandelsabkommen abschließen.

Damit könnte der Gipfel als Erfolg gefeiert werden – auch ohne ein Abkommen mit der EU.

Wettkampf
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Lateinamerika wird als Öllieferant für den Weltmarkt wichtiger

Innerhalb von Lateinamerika verschieben sich die Verhältnisse zwischen den Ölproduzenten: Guyana, Brasilien und Argentinien werden ihre Produktion bis 2030 steigern. Ecuador, Mexiko und Kolumbien dagegen verlieren an Bedeutung – genauso wie Venezuela.

von Alexander Busch, Lateinamerika-Korrespondent für Handelsblatt und NZZ

 

Lateinamerika hat nach dem Nahen Osten die zweitgrößten Öl- und Gasreserven weltweit. Doch die rund acht Mio. Fass am Tag (bpd), welche die Staaten produzieren, werden mehrheitlich in der Region verbraucht.

Doch das könnte sich ändern – betrachtet man die Prognosen der Internationalen Energieagentur (IEA). Danach wird die Ölproduktion Lateinamerikas bis 2030 auf zehn bis elf Mio. bpd anwachsen – je nachdem ob die Staaten die zugesagten Klima-Emissionen des Pariser Abkommens einhalten oder nicht. Damit würde ein Viertel der wachsenden Ölproduktion weltweit aus Lateinamerika kommen.

Dabei verschieben sich die Gewichte innerhalb der Region – wie bereits in den letzten Jahren. Derzeit fördert Brasilien an der Spitze rund 35 Prozent des Öls in Lateinamerika. Mexiko folgt mit 25 Prozent. Kolumbien, Venezuela und Argentinien tragen jeweils weniger als zehn Prozent zur regionalen Produktion bei.

Doch traditionelle Ölförderländer wie Mexiko, Kolumbien und Ecuador werden ihre Ölproduktion weiter reduzieren. In Kolumbien und Ecuador wollen die Regierungen aus klimapolitischen Gründen keine neuen Förderlizenzen vergeben. In Ecuador hat gerade die Bevölkerung bei einem Volksentscheid die Ölförderung im Regenwald abgelehnt. In Kolumbien will Präsident Gustavo Petro die Öl- und Gasförderung reduzieren.

In Mexiko dagegen setzt Präsident Andrés Manuel López Obrador dezidiert auf die Ölproduktion und nicht auf erneuerbare Energien. Doch der Staatskonzern Pemex ist der höchstverschuldete Ölkonzern weltweit und nicht in der Lage, die Tiefseevorkommen in der Karibik zu erschließen.

Brasilien dagegen hat sich nach der Entdeckung der Tiefseevorkommen vor Rio de Janeiro im Jahr 2007 voll auf die Erschließung der sogenannten Pré-Sal-Vorkommen konzentriert. Von 40.000 Fass haben der staatliche Konzern Petrobras und private Ölkonzerne die Förderung auf 2,2 Mio. bpd gesteigert. Brasilien ist heute die Nummer 8 unter den Ölförderländern weltweit.

Im Norden Brasiliens, nahe der Mündung des Amazonas werden weitere große Vorkommen vermutet. Derzeit findet in Brasilien zwischen Umweltschützern und der Ölindustrie ein politisches Tauziehen statt, ob diese Vorkommen erschlossen werden sollen oder nicht.

Die Ölindustrie ist zuversichtlich, dass nördlich des Äquators große Ölvorkommen existieren. Denn nicht weit entfernt davon hat der Ölkonzern Exxon in Guyana 2015 die größten neuen Ölvorkommen weltweit entdeckt. Die Förderung in der Karibik wird rasant ausgebaut. 2030 kann die Produktion vor der Küste von Guyana von derzeit rund 300.000 bpd auf 1,2 Mio. bpd gesteigert werden.

Argentinien könnte das dritte Land in Lateinamerika sein, dass bis 2030 seine Förderung steigern kann. Dort versiegen zwar die herkömmlichen Ölvorräte. Doch das Land besitzt gewaltige Schieferölvorkommen, die private Unternehmen entwickeln wollen.

Während Brasilien und Guyana bis 2030 jeweils eine Mio. bpd zusätzlich produzieren könnten, schätzt die IEA den Zuwachs für Argentinien auf eine halbe Mio. bpd. Bei der Ölförderung in Brasilien wie in Guyana wird zudem deutlich weniger Kohlendioxid freigesetzt als im weltweiten Durchschnitt.

Das einst wichtigste Ölland der Region, der OPEC-Gründungsstaat Venezuela, dagegen wird in absehbarer Zeit seine Produktion nicht nennenswert steigern können, erwartet die Energieagentur.

Dort verhindern die korrupte Führung des staatlichen Ölkonzerns und die fehlenden Investitionen, dass das Land wieder seine ehemalige Führungsrolle als südamerikanische Ölmacht übernehmen könnte: Drei Mio. Fass förderte der Staatskonzern vor 25 Jahren, als Präsident Hugo Chávez an die Macht kam und den Konzern für seine politischen Ziele einsetzte. Davon hat sich die Produktion bis heute nicht erholt. Etwa 700.000 bpd fördert Venezuela derzeit noch.

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Die Aussichten für Argentiniens Wirtschaft sind so gut wie seit langem nicht mehr

Das Land könnte wie kaum ein anderes weltweit von der veränderten Geopolitik und Energiewende profitieren. Aber dafür braucht es einen klaren Reformkurs.

von Alexander Busch, Lateinamerika-Korrespondent für Handelsblatt und NZZ

 

Der Ausgang der Wahl in Argentinien ist völlig offen: Wenn Sergio Massa, der amtierende Wirtschaftsminister der linksperonistischen Regierung und der rechts-libertäre Kandidat Javier Milei am 19. November bei den Stichwahlen antreten, ist heute kaum abzuschätzen, wer das Land die nächsten vier Jahre regieren wird.

Für das Wirtschaftsmagazin Economist sind die Kandidaten, die sich beim ersten Wahlgang qualifiziert haben, die schlechtesten Alternativen für Argentinien, the worst of all possible outcomes. Denn – so der Economist – keiner der beiden Kandidaten scheint geeignet, die Probleme Argentiniens lösen zu können.

Angesichts des berechtigten Pessimismus wird leicht übersehen, dass die Aussichten für Argentiniens Wirtschaft selten so gut waren wie derzeit: Die Veränderungen in der Geopolitik, die wachsende Nachfrage nach Agrarprodukten sowie Metallen für die Energiewende, steigende Preise für Öl und Gas, über die Argentinien in großen Mengen verfügt – alles das sind Gründe, warum sich die Aussichten für Argentiniens Wirtschaft derzeit aufhellen könnten.

Im Einzelnen:

Gerade konnte das erste über 500 km lange Teilstück der Gaspipeline aus dem Öl- und Schiefergasreservoir Vaca Muerta eingeweiht werden. Argentinien ist damit auf dem Weg, ein Selbstversorger an fossilen Energien zu werden. Bei den hohen Preisen für Flüssiggas ist das wichtig für die Handelsbilanz.

Die Farmer stehen vor einer guten Ernte bei Soja, Mais und Weizen – nach der katastrophalen Dürre dieses Jahres. Für Soja erwartet die Getreidebörse von Buenos Aires ein Plus von 138 Prozent der Ernte. Bei Mais könnte es noch 62 Prozent mehr sein. Auch diese Normalisierung der Agrarexporte wird wichtig für den Dollarzufluss nach Argentinien sein.

Die Investitionen in den Bergbau halten weiter an. Vor allem Lithium und Kupferkonzessionen sind begehrt bei ausländischen Unternehmen. Konzerne aus China, Australien, Kanada und Südkorea sind die Vorreiter.

Die ausländischen Direktinvestitionen in Argentinien haben sich von 4,7 Mrd. (2020) auf 15,1 Mrd. Dollar verdreifacht – trotz der schweren Krise des Landes. Ein Fünftel der Investitionen stammt von Bergbau- und Ölkonzernen.

Zudem zählen Argentiniens Startups zu den erfolgreichsten in Lateinamerika: Online-Handelsplattformen wie MercadoLibre oder OLX sind schon länger bekannt. In Buenos Aires gibt es ein kreatives Umfeld für digitale Unternehmen. Die Gründer sind gezwungen, über den nationalen Markt hinaus zu denken.

Fazit: Die nächste Regierung bekommt aus der Wirtschaft etwas Rückenwind. Hoffentlich nutzt sie die Gelegenheit, um die notwendigen Staatsreformen umzusetzen.

Caminito, Buenos Aires, Argentinien
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Venezuelas Ölindustrie bekommt wieder Anschluss an den Weltmarkt

Die Regierung des Landes hat der Opposition saubere Wahlen für 2024 zugesagt. Dafür wollen die USA schrittweise ihre Sanktionen lockern. Ob sich Präsident Maduro an die Abmachungen halten wird, ist ungewiss.

von Alexander Busch, Lateinamerika-Korrespondent für Handelsblatt und NZZ

 

Endlich mal eine gute Nachricht aus Venezuela: Das Finanzministerium der USA teilt am Donnerstag mit, dass der bislang verbotene Handel mit Öl des staatlichen venezolanischen Ölkonzerns PDVSA ab sofort wieder erlaubt ist.

Ausländische Konzerne dürfen in Venezuelas Ölbranche als Zulieferer für den Staatskonzern auftreten, ohne ihrerseits Sanktionen der US-Behörden befürchten zu müssen. Auch Finanztransaktionen, etwa der Handel von venezolanischen Staatsbonds, sind erlaubt oder die Versicherung von Tankern, die venezolanisches Öl geladen haben. Auch der Handel mit venezolanischem Gold ist ab sofort zulässig.

Diese Genehmigungen sollen im ersten Schritt vorerst bis Mitte April 2024 gelten. Damit weicht die US-Administration erstmals die seit vier Jahre bestehenden Sanktionen gegen Venezuela auf. 2019 hatte der US-Präsident Donald Trump harte Sanktionen gegen Venezuela verhängt, weil das Regime von Nicolás Maduro zuvor offensichtlich die Wahlen gefälscht hatte.

Doch nun hat die Regierung in Caracas nach mehreren geheimen Verhandlungsrunden mit den USA zugesagt, im zweiten Halbjahr 2024 saubere Wahlen abhalten zu wollen. Dazu verpflichtete sie sich in einer gemeinsamen Erklärung, welche die Opposition und Regierungsvertreter am Dienstag dieser Woche in Barbados unterzeichneten.

Die Regierung will ausländische Wahlbeobachter zulassen. Ob sie die Kandidaten der Opposition tatsächlich an den Wahlen teilnehmen lässt, bleibt abzuwarten. Den wichtigsten Führern der Opposition hat die Justiz das passive Wahlrecht entzogen. Die US-Regierung hat klargemacht, dass sie bis November Fortschritte bei der Zulassung der oppositionellen Kandidaten erwarte. Die Sanktionserleichterungen können jeder Zeit wieder aufgehoben werden.

Hintergrund der Annäherung zwischen den USA und Venezuela sind die hohen Ölpreise. Die USA wollen aus strategischen Gründen, dass das Land mit den weltweit größten Öl- und Gasreserven  wieder den Weltmarkt beliefert. Das wird nur langsam möglich sein, weil in Venezuela seit vielen Jahren nicht mehr in die Ölindustrie investiert wurde. 200.000 Fass am Tag könnte Venezuela bald zusätzlich exportieren.

Das Abkommen ist für alle Seiten von Vorteil: Venezuelas Wirtschaft werden die aufgehobenen Sanktionen einen Wachstums- und Investitionsschub bringen. Erstmals können private Unternehmen wieder legal im Karibikland investieren.

Das ist auch für deutsche Unternehmen interessant, die traditionell stark in Venezuela waren, sich aber in den letzten Jahre wegen der schweren Krise des Landes zurückgezogen hatten.

Die Regierung wiederum wird Öl ohne den üblichen Abschlag verkaufen können. Bisher verlangen Kunden wie China oder Indien einen Discount auf venezolanisches Öl von bis zu 40 Prozent auf den Weltmarktpreis. Trader und Importeure lassen sich so das Risiko kompensieren, ins Fadenkreuz der US-Justiz zu gelangen.

Die Opposition schließlich hätte die Chance auf faire Wahlen, die ihr in den zehn Jahren, die Maduro nun an der Macht ist, weitgehend vorenthalten wurden. Es bleibt zu hoffen, dass die Sanktionslockerungen neben einer wirtschaftlichen auch eine politische Eigendynamik anstoßen können.

Denn bisher hat Maduro noch nie wirklich Bereitschaft gezeigt, auf die Opposition zuzugehen. Es ist schwer vorstellbar, dass der Autokrat freie Wahlen mit fairen Startchancen für alle erlaubt, wenn die Gefahr besteht, dass er abgewählt würde.

Ob das Regime bereit ist, der Opposition tatsächlich mehr Handlungsspielraum zuzugestehen, wird man am kommenden Sonntag beobachten können. Letztere hat zu landesweiten Vorwahlen aufgerufen. Die Regierung hatte zuvor das Wahlgericht durch einen taktischen Rückzug seiner Richter wegen des fehlenden Quorums ausgeschaltet.

Die Opposition steht vor der logistischen Herausforderung, in einem Land von der Größe Frankreichs und Deutschlands zusammen Vorwahlen zu organisieren, ohne öffentliche Gebäude benutzen oder sonst mit staatlicher Unterstützung rechnen zu können. Angesichts der ständigen Einschüchterungen und Drohungen durch die Sicherheitskräfte braucht es für die Teilnahme am Wahlakt eine große Portion an persönlichem Mut.

Maracaibo
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Der Mercosur ist uneins

Einer gegen alle: Im Mercosur streiten sich die Staaten mit Argentinien wegen Wasserrechten auf dem Río Paraná. Mit den anstehenden Wahlen im Lande könnte es noch schwieriger werden, eine gemeinsame Position in Südamerika zu finden.

von Alexander Busch, Lateinamerika-Korrespondent für Handelsblatt und NZZ

 

Ein Streit um Mautgebühren auf dem Río Paraná zeigt, wie fragil die politische und wirtschaftliche Harmonie im Mercosur ist – zu einem Zeitpunkt, an dem die südamerikanische Wirtschaftsgemeinschaft bei den Verhandlungen mit der EU eigentlich Einigkeit zeigen will.

So erhebt Argentinien seit dem 1. Januar auf alle Frachtschiffe, die den Río Paraná auf der Höhe der Flussstadt Rosário passieren, eine Frachtgebühr von 1,47 Dollar pro Tonne.

Am Anfang protestierten vor allem die Regierungen der Binnenstaaten Bolivien und Paraguay gegen die einseitig erhobene Mautgebühr auf der wichtigsten Wasserstraße im Zentrum Südamerikas. Inzwischen sind auch Brasilien und Uruguay gegen den Flusszoll.

Doch trotz des massiven Widerstandes aus den Nachbarstaaten und mehrerer Krisentreffen in Asunción und Buenos Aires ist keine Einigung in Sicht.

Als Gegenmaßnahme stoppte Paraguay jetzt die Stromlieferungen nach Argentinien über das gemeinsam am Río Paraná betriebene Wasserkraftwerk Yacyretá. Argentinien ist seitdem gezwungen, Strom teurer aus Brasilien zu importieren.

Argentinien rechtfertig die einseitig erhobene Mautgebühr mit Ausbaggerungsarbeiten, welche es durchführen würde, um den Fluss schiffbar zu erhalten. Doch die Regierung weigert sich, die Zahlen über die Investitionen transparent zu machen.

Es ist unwahrscheinlich, dass bald Bewegung in die verfahrene Situation kommt: Argentinien erlebt eine schwere Wirtschaftskrise, seine Devisenkassen sind leer – und gleichzeitig wird am 22. Oktober eine neue Regierung gewählt. Dollareinnahmen sind für die Regierung existenziell wichtig, um etwa Importe von Medikamenten oder Strom bezahlen zu können.

Argentinien hat in den kleineren Mercosur-Ländern Uruguay und Paraguay keinen guten Ruf. Seine Regierungen gelten dort traditionell als schwierige Partner.

So hat Argentinien von 2007 bis 2010 die wichtigste Brückenverbindung zu Uruguay blockieren lassen – von Umweltschutzbewegungen aus Protest gegen eine Zellulosefabrik in Uruguay.

Santiago Peña ist seit sechs Wochen als Präsident von Paraguay im Amt. Er hat bereits klargemacht, dass er sich im Mercosur nicht mit der Rolle des Juniorpartners neben den weit größeren Ökonomien Brasilien und Argentiniens abfinden wird.

Sollte bis zum 6. Dezember, wenn Paraguay die Präsidentschaft im Mercosur übernimmt, kein Abkommen mit der EU erreicht sein, würde er die Verhandlungen abbrechen und mit neuen Wirtschaftspartnern in Asien und Nahost Versuche starten.

Doch bis dahin könnte neues Konfliktpotenzial auf den Mercosur zukommen. Der favorisierte Präsidentschafts-Kandidat Javier Milei in Argentinien hält wenig vom Mercosur. Er würde lieber nach neuen Handelspartnern weltweit Ausschau halten, sagte er im Wahlkampf.

Rosario-Victoria-Bridge
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