“China’s loss is not Mexico’s gain”

Das Land setzt weiter auf einen Investitionsboom durch das Decoupling der USA von China. Das Potenzial ist erst teilweise ausgeschöpft.

von Alexander Busch, Lateinamerika-Korrespondent für Handelsblatt und NZZ

 

Mexiko hat dieses Jahr als Handelspartner der USA erstmals China überholt – das erste Mal seit 2014, als China den wichtigsten Platz in der Handelsbilanz der USA einnahm. Das Volumen des Handels zwischen Mexiko und der USA ist beeindruckend: Von Januar bis April betrug der Warenaustausch 263 Mrd. Dollar. Im Vergleich: Brasilien und die USA handelten im gleichen Zeitraum mit 26 Mrd. Dollar nur zehn Prozent des Wertes miteinander.

Es sieht also alles danach aus, als würden die vor kurzem gemachten Prognosen für das Nearshoring zwischen den USA und Mexiko eintreffen: Nachdem die Regierung Donald Trump ab 2019 einen Handelskrieg mit China gestartet hatte und sich von der größten Ökonomie Asien abkoppeln zu begann, erwarteten viele Ökonomen, dass vor allem Mexiko davon profitieren würde.

US-Unternehmen würden ihre Zulieferer näher bei sich ansiedeln, um das Risiko einer Unterbrechung der Produktionsketten zu verringern. Nach Schätzungen der Interamerikanischen Entwicklungsbank (IDB) vom letzten Jahre könnte Nearshoring in Lateinamerika und der Karibik kurz- und mittelfristig zu zusätzlichen Waren- und Dienstleistungsexporten in Höhe von jährlich 78 Mrd. Dollar führen. Mexiko sollte davon den größten Anteil beisteuern.

Das ist teilweise eingetroffen. Wie die Exporte von Mexiko in die USA haben auch die ausländischen Direktinvestitionen in Mexiko zugenommen, um das Land als Zulieferer für die USA aufzurüsten.

Dennoch bleibt das Nearshoring insgesamt unter seinem Potenzial. Denn Mexikos Ausfuhren in die USA sind weniger gewachsen als aus Ländern wie Vietnam, Indien oder Taiwan. Gleichzeitig konzentrieren sich die mexikanischen Exporte neben Fahrzeugen und Teilen vor allem auf industrielle Rohstoffe und Lebensmittel.

Industrielle Produkte oder Maschinen haben weniger stark zugelegt in der mexikanischen Exportpalette in die USA. Oxford Economics bringt das auf den Punkt: “China’s loss is not Mexico’s gain”.

Dafür gibt es mehrere Gründe:

Die Regierung von Präsident Andrés Manuel López Obrador ist nicht unternehmerfreundlich. Der links-populistische Präsident blockiert Investitionen in nachhaltige Energien und auch der Staat investiert kaum in die sonstige Infrastruktur. Doch die ausländischen Unternehmen in Mexiko brauchen zunehmend Energie, die nachhaltig gewonnen wurde.

Zudem funktioniert Mexikos Industrie immer noch vorwiegend als „Maquiladora“: Unternehmen importieren Teile aus den USA, lassen sie in Mexiko montieren und exportieren die fertigen Produkte wieder in die USA. Dabei ist die lokale Wertschöpfung gering.

Sie funktioniert nur mit billigen Arbeitskräften. Doch die werden auch in Mexiko teurer. Zudem benötigen die Unternehmen immer weniger einfache Arbeitskräfte. Aber auch an Hightech-Arbeitskräften mangelt es in Mexiko.

Gleichzeitig investieren die lokalen Unternehmen und der Staat zu wenig. Die Investitionen ausländischer Unternehmen allein sind nicht ausreichend, um Mexikos Industrie insgesamt voranzubringen.

Einzelne Vorreiter wie der Autobauer Tesla, der jetzt nahe von Monterrey in ein Werk für 5 Mrd. Dollar investiert, oder auch ein Hersteller wie BMW, der Autos mit Elektroantrieb und Batterien in Mexiko produzieren will, sind wichtig, damit Mexikos starke Automobilindustrie wettbewerbsfähig bleibt.

Doch sie reichen nicht aus, dass Mexiko sowohl China als auch andere asiatische Produzenten als industriellen Hightech-Standort ersetzen kann. Oxford Economics analysiert: „Der Mangel an inländischen (öffentlichen und privaten) Investitionen hindert das Land daran, die Vorteile des Nearshoring-Trends voll auszuschöpfen.“

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© Pixabay/jdblack

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