Der Mercosur ist uneins

Einer gegen alle: Im Mercosur streiten sich die Staaten mit Argentinien wegen Wasserrechten auf dem Río Paraná. Mit den anstehenden Wahlen im Lande könnte es noch schwieriger werden, eine gemeinsame Position in Südamerika zu finden.

von Alexander Busch, Lateinamerika-Korrespondent für Handelsblatt und NZZ

 

Ein Streit um Mautgebühren auf dem Río Paraná zeigt, wie fragil die politische und wirtschaftliche Harmonie im Mercosur ist – zu einem Zeitpunkt, an dem die südamerikanische Wirtschaftsgemeinschaft bei den Verhandlungen mit der EU eigentlich Einigkeit zeigen will.

So erhebt Argentinien seit dem 1. Januar auf alle Frachtschiffe, die den Río Paraná auf der Höhe der Flussstadt Rosário passieren, eine Frachtgebühr von 1,47 Dollar pro Tonne.

Am Anfang protestierten vor allem die Regierungen der Binnenstaaten Bolivien und Paraguay gegen die einseitig erhobene Mautgebühr auf der wichtigsten Wasserstraße im Zentrum Südamerikas. Inzwischen sind auch Brasilien und Uruguay gegen den Flusszoll.

Doch trotz des massiven Widerstandes aus den Nachbarstaaten und mehrerer Krisentreffen in Asunción und Buenos Aires ist keine Einigung in Sicht.

Als Gegenmaßnahme stoppte Paraguay jetzt die Stromlieferungen nach Argentinien über das gemeinsam am Río Paraná betriebene Wasserkraftwerk Yacyretá. Argentinien ist seitdem gezwungen, Strom teurer aus Brasilien zu importieren.

Argentinien rechtfertig die einseitig erhobene Mautgebühr mit Ausbaggerungsarbeiten, welche es durchführen würde, um den Fluss schiffbar zu erhalten. Doch die Regierung weigert sich, die Zahlen über die Investitionen transparent zu machen.

Es ist unwahrscheinlich, dass bald Bewegung in die verfahrene Situation kommt: Argentinien erlebt eine schwere Wirtschaftskrise, seine Devisenkassen sind leer – und gleichzeitig wird am 22. Oktober eine neue Regierung gewählt. Dollareinnahmen sind für die Regierung existenziell wichtig, um etwa Importe von Medikamenten oder Strom bezahlen zu können.

Argentinien hat in den kleineren Mercosur-Ländern Uruguay und Paraguay keinen guten Ruf. Seine Regierungen gelten dort traditionell als schwierige Partner.

So hat Argentinien von 2007 bis 2010 die wichtigste Brückenverbindung zu Uruguay blockieren lassen – von Umweltschutzbewegungen aus Protest gegen eine Zellulosefabrik in Uruguay.

Santiago Peña ist seit sechs Wochen als Präsident von Paraguay im Amt. Er hat bereits klargemacht, dass er sich im Mercosur nicht mit der Rolle des Juniorpartners neben den weit größeren Ökonomien Brasilien und Argentiniens abfinden wird.

Sollte bis zum 6. Dezember, wenn Paraguay die Präsidentschaft im Mercosur übernimmt, kein Abkommen mit der EU erreicht sein, würde er die Verhandlungen abbrechen und mit neuen Wirtschaftspartnern in Asien und Nahost Versuche starten.

Doch bis dahin könnte neues Konfliktpotenzial auf den Mercosur zukommen. Der favorisierte Präsidentschafts-Kandidat Javier Milei in Argentinien hält wenig vom Mercosur. Er würde lieber nach neuen Handelspartnern weltweit Ausschau halten, sagte er im Wahlkampf.

Rosario-Victoria-Bridge
© Pixabay/Elías Alarcón

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