Wird Milei die großen Erwartungen erfüllen?

Viele Menschen in Argentinien wünschen sich, dass das Reformprogramm des Präsidenten Erfolg hat. Auch für die deutsche Wirtschaft und Politik ist er zum neuen Hoffnungsträger geworden.

von Alexander Busch, Lateinamerika-Korrespondent für Handelsblatt und NZZ

 

Im Moment geben sich in Buenos Aires deutsche Delegationen die Klinke in die Hand: Allein letzte Woche kamen zwei Ausschüsse des Bundestages, Vertreter des Wirtschaftsministeriums sowie der Bundesbank nach Argentinien. Weitere Besuchergruppen sollen folgen.

Das Interesse der deutschen Politik und Wirtschaft an Argentinien ist neu. Zwar ist Argentinien ein traditionell wichtiges Partnerland Deutschlands in Lateinamerika. Dennoch stand es wegen seiner wirtschaftlichen und politischen Dauerkrise lange nicht mehr im Blickpunkt der deutschen Öffentlichkeit.

Das ändert sich gerade. Das liegt vor allem an Javier Milei, der das Land als Präsident seit rund drei Monaten regiert. Der politische Quereinsteiger Milei hat durch seinen rasanten Aufstieg vom überraschend gewählten Abgeordneten vor drei Jahren bis zum Wahlsieg im November letzten Jahres einen Kulturwandel in der Politik und Gesellschaft Argentiniens ausgelöst.

Das liegt an seinem radikalen Reformprogramm, das er genauso durchführt, wie im Wahlkampf angekündigt. Damit will er das chronische Haushaltsdefizit reduzieren und verhindern, dass der Staat sich weiter mit der Notenpresse finanziert. Argentinien soll endlich ein Land mit einer stabilen Währung werden.

Trotz der radikalen Einsparungen und den damit verbundenen sozialen Zumutungen setzt die Mehrheit der Bevölkerung weiterhin ihre Hoffnungen in den 53-jährigen Ökonomen. Das ist erstaunlich, denn die Armut hat stark zugenommen. Staatliche Leistungen – für Schulen, Energie, Transport – und Subventionen hat die Regierung gestrichen oder passt sie nicht mehr der Inflation an. Das bedeutet, dass die Menschen über immer weniger Kaufkraft verfügen.

Gleichzeitig fährt Milei weiterhin einen Konfrontationskurs gegen die etablierte Politik, die „Kaste“, wie er sie nennt. Die sei verantwortlich für Argentiniens hundertjährigen Abstieg. Diese Kritik macht ihn weiterhin populär unter seinen Anhängern.

Doch es erschwert den politischen Konsens, den auch die Regierung irgendwann braucht, um ein nachhaltiges Reformpaket auf die Beine zu stellen. Denn derzeit werden die Kosten der Anpassung vor allem den Armen, Rentnern und allen Beziehern staatlicher Leistungen aufgebürdet.

Die Regierung versucht nun, mit den Gouverneuren einen Konsens zu finden, und will so auch im Kongress einem Kompromiss näherkommen. Doch mit seinen ständigen Provokationen gegenüber den Politikern droht Milei den Bogen zu überspannen. Auch in der Bevölkerung sinkt das Verständnis für seine aggressiven Tiraden, wenn ihm etwas nicht in den Kram passt.

Seine Strategie ist riskant: Die Regierung hofft, dass die Inflation weiter sinkt. Dann könnten in der zweiten Jahreshälfte auch die derzeitige Rezession von einem ersten Wachstum abgelöst werden.

Eine Umfrage des Industrieverbandes Union Industrial Argentina vom Februar zeigt den Stimmungsumschwung im Vergleich zum Vorjahr: Damals sahen die Unternehmer die Zukunft für die Wirtschaft tiefschwarz. Jetzt haben sich die Aussichten für die Hälfte der Mitglieder deutlich aufgehellt.

Doch entscheidend wird sein, dass die Mehrheit der Bevölkerung weiterhin davon überzeugt ist, dass Milei auf dem richtigen Kurs ist – nur dann hat der Präsident eine Chance, seinen radikalen Reformkurs weiter fortzusetzen.

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© Pixabay/TravelCoffeeBook

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