Mexikos Zukunftsaussichten verdüstern sich, wirtschaftliche Rahmenbedingungen jedoch solide
Die Regierung in Mexiko macht Druck auf rechtsstaatliche Institutionen, fährt die nachhaltige Energiereform zurück und ignoriert die Wirtschaft. In Europa wird das kaum wahrgenommen. Trotzdem steht Mexiko bei seinen Finanzen insgesamt weiterhin erstaunlich solide da.
von Alexander Busch, Lateinamerika-Korrespondent für Handelsblatt und NZZ
Die Nachrichten aus Mexiko sind derzeit durchwachsen. So verschlechtern sich die Aussichten für die Wirtschaft des Landes. Angesichts der hartnäckigen Inflation, die inzwischen mit 7,3 Prozent den höchsten Stand seit zwei Dekaden erreicht hat, wird die Zentralbank stärker die Zinsen anheben – und damit die Konjunktur bremsen. Zwar dürfte die Inflation bis Jahresende wieder sinken. Doch wegen der hohen Zinsen rechnen die Investmentbanken dieses Jahr mit einem Wachstum von 1,5 bis 2 Prozent. Damit wird Mexikos Wirtschaftsleistung noch länger unter dem Stand zu Beginn der Corona-Krise verbleiben.
Die Regierung hat seit 2020 kaum Maßnahmen eingeleitet, um die sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Pandemie zu lindern. Die Armutsrate ist nun deutlich angestiegen auf über 44 Prozent der Bevölkerung.
Gleichzeitig greift die Regierung immer aktiver in die Wirtschaftspolitik ein – zum Misstrauen der Wirtschaft. So wird gerade die nachhaltige Energiereform Mexikos schrittweise wieder zurückgedreht. Zusätzlich bekommt die staatliche Ölindustrie des Landes wieder höchste Priorität bei der Abnahme von Strom zugesichert.
Mit einem Dekret, wonach staatliche Infrastrukturprojekte Priorität genießen und ohne die üblichen Regeln über Transparenz der öffentlichen Ausschreibungen verabschiedet werden, öffnet die Regierung zudem der in Mexiko endemischen Korruption Tür und Tor. Auch erhärten sich Gerüchte, dass enge Familienangehörige des Präsidenten in Korruptionsvorgänge verstrickt seien. Mexiko ist mit Rang 124 von 180 Staaten unter den korruptesten Staaten Lateinamerikas nach Transparency International.
Der Ölproduzent Mexiko profitiert wenig von den hohen Ölpreisen durch die Ukraine-Krise: Das Land importiert im Wert fast doppelt so viele Energieprodukte wie es Rohöl exportiert.
Zudem nehmen die Attacken des Präsidenten Andrés Manuel López Obrador auf den Rechtsstaat zu. So will er jetzt am 10. April in einem Volksentscheid über den möglichen Widerruf seines sechsjährigen Mandats abstimmen lassen. Der Präsident erwartet eine hohe Zustimmungsrate. Unter anderem hofft er darauf, dass seine Kandidaten bei den Gouverneurswahlen in sechs Bundesstaaten am 5. Juni dadurch Rückenwind bekommen. Doch erstmals sind die hohen Zustimmungsraten von López Obrador gesunken (auf immer noch hohe 54 von 60 Prozent zu Jahresbeginn).
Wie in manchen Staaten Lateinamerikas könnte also auch in Mexiko der staatliche Druck auf die Demokratie und Wirtschaft bis zu den nächsten Präsidentschaftswahlen 2024 noch deutlich zunehmen. Doch anders als ähnliche Tendenzen in Brasilien oder Argentinien, wird dies in Europa kaum wahrgenommen.
Andererseits steht Mexiko im regionalen Vergleich erstaunlich solide bei seinen Finanzen und Außenhandelskonten da. Die höheren Öleinnahmen stabilisieren den Haushalt. Mit einem Defizit von 3,5 Prozent zur Wirtschaftsleistung ist der Staat solide finanziert. Die Devisenreserven konnte die Zentralbank seit Beginn der Pandemie sogar noch um 12 Prozent steigern. Mit einer Verschuldung von rund 50 Prozent des BIPs droht in Mexiko keine Schuldenkrise.
Die ausländischen Investitionen bleiben ebenfalls stabil – wenn auch auf niedrigem Niveau. Vor allem die Automobilindustrie profitiert von der Erholung der Nachfrage. Tendenziell wird Mexiko zugutekommen, dass US-Konzerne ihre Zulieferer lieber vor der Haustür in Mexiko als in Fernost haben wollen.
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