Maduros Wahlkampfmanöver gefährden Wirtschaftsaufschwung

Venezuelas Wirtschaft könnte in kurzer Zeit boomen. Doch dafür braucht es Rechtsstaatlichkeit.

von Alexander Busch, Lateinamerika-Korrespondent für Handelsblatt und NZZ

 

Nicht nur die Mehrheit der Bevölkerung hoffte vor den Wahlen optimistisch auf einen friedlichen Regierungswechsel. Auch viele Unternehmen und Investoren wünschten sich eine Ablösung des Regimes. Doch Präsident Nicolás Maduro hat deutlich gemacht, dass er trotz der umstrittenen Wahlen an der Macht bleiben will.

Das ist nicht nur politisch, sondern auch wirtschaftlich eine bittere Enttäuschung: Denn unter stabilen rechtsstaatlichen Verhältnissen könnte das Karibikland in kürzester Zeit zu einer der am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften der Welt werden. Alejandro Arreaza von Barcleys schätzt, dass Venezuela unter einer neuen Regierung in den nächsten zwei Jahren zweistellig wachsen würde.

Der Karibikstaat verfügt nicht nur über die größten Ölreserven der Welt. Es hat nach zehn Jahren staatlicher Misswirtschaft einen enormen Nachholbedarf an Investitionen. Multilaterale Geldgeber und eine Aufhebung der US-Sanktionen könnten die Ölproduktion und die brachliegende einheimische Industrie in kurzer Zeit wieder ankurbeln.

Die USA hatten die Wirtschaftssanktionen gegen Venezuela wegen des Wahlbetrugs ab 2019 verschärft. Diese wurden im vergangenen Jahr gelockert, weil das Regime freie Wahlen versprach. Nun ist offen, ob die USA die Strafmaßnahmen wieder in Kraft setzen.

Seit vergangenem Jahr dürfen ausländische Ölkonzerne wie Chevron, Eni und Repsol wieder eingeschränkt Öl in Venezuela fördern. Die Lizenzen wurden gerade von den USA verlängert. Sie wären also von einer erneuten Verschärfung der Strafmaßnahmen nicht betroffen.

Venezuela erlebt seit rund drei Jahren eine wirtschaftliche Stabilisierung. Nach Angaben des Internationalen Währungsfonds (IWF) wird Venezuela in diesem Jahr um rund vier Prozent wachsen. Die Verbraucherinflation ist auf 160 Prozent gesunken. Der Dollar ist seit drei Jahren inoffizielles Zahlungsmittel.

Der Absturz Venezuelas von einer der reichsten Volkswirtschaften Lateinamerikas in 25 Jahren Linksregierung, erst unter Hugo Chávez und jetzt unter Maduro, ist gewaltig: Die Wirtschaftsleistung ist in elf Jahren um drei Viertel geschrumpft. Das jährliche Pro-Kopf-Einkommen liegt bei rund 8500 Dollar – etwa so viel wie in Bangladesch.

Um die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen, müsste die Regierung eine Umschuldung der Auslandsschulden organisieren. Seit 2017 bedient Venezuela seine Schulden in Höhe von rund 150 Milliarden Dollar nicht mehr.

Doch der Weg zurück an die internationalen Finanzmärkte ist Venezuela versperrt: Die Gläubiger dürfen wegen der US-Sanktionen nicht mit Venezuela verhandeln. Doch erst nach einer Umschuldung könnten westliche Geldgeber wie Unternehmen wieder offiziell im Land investieren.

Auch Wirtschaftsanwälte in Caracas raten westlichen Unternehmen derzeit von Investitionen in Venezuela ab. Die rechtlichen Rahmenbedingungen seien nicht gesichert.

Die größten Hoffnungen setzt die Wirtschaft darauf, dass die leichte Erholung der Ölindustrie anhält und das Wachstum weiter stützt: So schätzt Barclays, dass Venezuelas maroder Ölsektor viele Möglichkeiten für eine kurzfristige und kostengünstige Sanierung bietet. Vor der Wahl prognostizierte die Investmentbank einen Anstieg der Ölproduktion von derzeit 850.000 auf zwei Millionen Barrel pro Tag bis 2030.

Es dürfte nun von der nächsten US-Regierung abhängen, welche Politik sie gegenüber Venezuela verfolgt – und damit, wie stark der Ölstaat wachsen wird.

Caracas_Simon_Bolivar
© Pixabay/WJGomes

Weitere News dieser Kategorie

Wird 2024 als China-Jahr in die Geschichte Südamerikas eingehen?
Wird Guyana das neue Katar Lateinamerikas?
Steht Bolivien vor einer Phase politischer Instabilität?