Archiviert: Lateinamerika beginnt seinen langen Weg zurück zur Normalität

In Lateinamerika findet die wirtschaftliche Erholung nach der Pandemie langsamer statt als sonst auf der Welt – dafür aber deutlich stabiler. Bisher ist es in der Region zu keiner zweiten Welle der Infizierungen gekommen.

von Alexander Busch, Lateinamerika-Korrespondent für Handelsblatt und NZZ

 

Zu diesem Ergebnis kommen die Ökonomen von Oxford Economics, die anhand verschiedener Indikatoren die Rückkehr zur Normalität messen. Danach ist Brasilien mit 11 Prozent weniger Aktivitäten als vom Februar dieses Jahres, also vor dem Ausbruch der Epidemie, schon am weitesten vorangeschritten auf dem Weg zum Vorkrisenzustand. Kolumbien (-23 Prozent) folgt mit deutlichem Abstand, knapp vor Mexiko (-25 Prozent). Peru (-34 Prozent) und Argentinien (-37 Prozent) sind nach den radikalen Quarantänen noch am weitesten entfernt von der Prä-Pandemie-Normalität.

Für 2021 erwartet das Institute of International Finance (IIF) eine gedämpfte Erholung der Kapitalströme in die Region, moderate Wachstumsaussichten und weiterhin Druck auf die lokalen Währungen. Der globale Bankenverband hat gerade Prognosen zu Lateinamerika mit Blick auf die Leistungsbilanzen der Staaten veröffentlicht. Dabei sind die Ökonomien wegen ihrer flexiblen Wechselkurse meist recht erfolgreich dabei, ihre Devisenreserven zu schützen – obwohl die ausländischen Kapitalzuflüsse zurückgegangen und die Exporte eingebrochen sind.

In der heftigen Rezession sind die Importe nach Lateinamerika insgesamt um 15 Prozent geschrumpft. Das hat die Leistungsbilanzdefizite schnell verringert. Doch auch die Exporte haben nachgelassen, vor allem bei Energieexporteuren wie Mexiko und Kolumbien. Rohstoffexporteure wie Chile oder Brasilien haben geringere Einbrüche bei den Exporten erlebt. Heftig waren die Einbußen bei den Deviseneinnahmen wiederum bei Staaten, die stärker vom Tourismus abhängen, wie Mexiko und die Karibik.

Kompensieren konnten das einzelne Staaten in der Region mit den Rücküberweisungen der Lateinamerikaner aus Europa und vor allem den USA in ihre Heimatländer. Die sind – anders als erwartet – stabil geblieben oder in einigen Ländern sogar noch gewachsen. Die chronische Kapitalflucht aus der Region dagegen stagnierte in diesem Jahr. Die Investoren stecken ihr Kapital in lokale Börsen und Anlagen. Das ist positiv. Schlecht ist dagegen, dass lateinamerikanische Unternehmen sich in der Krise aus ihren globalen Investitionen zurückziehen. Auch die ausländischen Direktinvestitionen werden zurückgehen. Das wird den Tech-Transfer in die Region verlangsamen.

Einige Währungen in der Region werden angesichts der politischen Unsicherheit und der daraus resultierenden Auswirkungen auf die Kapitalströme weiterhin unter Druck stehen, lautet das Fazit des IIF. Das könnte vor allem den Real in Brasilien sowie den Peso in Argentinien betreffen.

In Brasilien zogen sich die ausländischen Investoren bisher vor allem aus Portfolioinvestitionen in Anleihen und Aktien zurück. Wie weit die Direktinvestitionen in Unternehmen dieses Jahr tatsächlich abnehmen werden, ist noch offen: Nach Prognosen des IIF werden die Direktinvestitionen in Brasilien dieses Jahr von 73 (2019) auf 50 Mrd. Dollar sinken.

COVID-19 in Lateinamerika

Entwicklung der Fallzahlen in der Region


Aktuell gemeldete Fallzahlen in den einzelnen Ländern

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