Der Mercosur orientiert sich nach Asien
Die südamerikanische Wirtschaftsgemeinschaft Mercosur hat mit Singapur ein Freihandelsabkommen abgeschlossen und Uruguay strebt eine Freihandelszone mit China an. Einig sind sich die Mitgliedsstaaten dabei aber nicht.
von Alexander Busch, Lateinamerika-Korrespondent für Handelsblatt und NZZ
Nach vier Jahren Verhandlungen wollte der Mercosur letzte Woche bei seinem 60. Präsidentengipfel den Abschluss der Verhandlungen mit Singapur zu einer Freihandelszone feiern. Der Stadtstaat soll eine Art Außenposten der südamerikanischen Mitgliedsstaaten des Mercosur in Fernost werden. Unternehmen aus Singapur haben in die Infrastruktur (Flughäfen, Werften) und Basisindustrie in Südamerika investiert.
Doch das Fest fiel aus: Beim Treffen in Asunción hatte der Gastgeber Paraguay alle Mühe, zwischen den verschiedenen Interessen der Mitglieder zu vermitteln.
Beim brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro fiel das noch am leichtesten. Denn der war gar nicht erst zum Treffen erschienen – zum ersten Mal in der Geschichte des 1991 gegründeten Gruppe, die aus Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay besteht. Für sein Ausbleiben lieferte Bolsonaro keine Erklärung. Seine Absenz war aber auch keine wirkliche Überraschung: Seit Beginn seiner Amtszeit 2019 hat der brasilianische Präsident mehrfach deutlich gemacht, dass er wenig von der Wirtschaftsgemeinschaft hält.
Doch auch sonst sorgten Alleingänge für Zoff beim Gipfel: So will Uruguay an seinem Vorhaben festhalten, mit China noch in diesem Jahr ein Freihandelsabkommen zu vereinbaren. Dieses Ansinnen verfolgt das kleinste Land in der Gemeinschaft schon länger.
In der Vergangenheit konnten die großen Länder Argentinien und Brasilien das deutlich kleinere Uruguay immer wieder davon überzeugen, sich nicht gegenüber China zu öffnen. Doch nun will Uruguay unbedingt das Abkommen mit China, um von niedrigeren Importpreisen und den Investitionen aus Fernost profitieren zu können.
Die größeren Staaten in der Zone fürchten die Konkurrenz aus Fernost: Sie haben eigene Industrien und wollen ihre Märkte schützen. Es bleibt offen, wie der Mercosur als Wirtschaftsgemeinschaft weitermachen will, wenn China freien Zugang nach Uruguay bekommt.
Die Annäherung an China stellt die Wirtschaftsgemeinschaft vor ein zusätzliches Problem: Denn Paraguay ist traditionell eines der verbliebenen wenigen Länder in der Region, das weiterhin nur mit Taiwan statt mit China offiziell diplomatische Beziehungen unterhält.
Dennoch dürfte die neue Öffnungsdynamik des Mercosur in Richtung Asien anhalten: Es gibt Verhandlungen des Mercosur mit Südkorea. Die stagnieren derzeit zwar, wie auch die mit Kanada. Doch das kann sich schnell ändern, wenn neue Regierungen in Südamerika die Handelsbeziehungen des Blocks ausweiten wollen.
Denn die 2019 abgeschlossenen Abkommen des Mercosur mit der EU und der EFTA – der Freihandelsorganisation von Island, Liechtenstein, Norwegen und der Schweiz – stecken fest. Das liegt vor allem daran, dass die Europäer ein Abkommen mit Brasilien unter Präsident Bolsonaro wegen dessen Umwelt- und Amazonaspolitik ablehnen.
Gerade war eine Parlamentariergruppe der EU in Brasilien unterwegs. Sie erklärte zum Abschluss der Reise, dass sie den Druck auf Brasilien wegen der fehlgeleiteten Umweltpolitik erhöhen wolle.
Vermutlich wird dem Mercosur mittelfristig keine Alternative als die Öffnung nach Fernost bleiben.