Brasiliens Kreditwürdigkeit steigt: Hochstufung durch Moody’s überrascht

Trotz steigender Staatsverschuldung nähert sich Lateinamerikas größte Volkswirtschaft dem Investmentgrade – ein gutes Zeichen für die gesamte Region

von Alexander Busch, Lateinamerika-Korrespondent für Handelsblatt und NZZ

 

Die Nachricht am 1. Oktober überraschte den Finanzmarkt in São Paulo: Erstmals seit acht Jahren hat die Ratingagentur Moody’s das Länderrisiko Brasiliens heraufgestuft. Mit Ba1 fehlt Brasilien nur noch ein Upgrade, um den 2015 verlorenen Investmentgrade wiederzuerlangen.

Ein Investmentgrade ist für ein Schwellenland wie Brasilien wichtig, weil es institutionellen Anlegern wie Pensionsfonds ermöglicht, in Anleihen oder Fonds des Landes zu investieren. Die Kreditaufnahme wird dadurch einfacher und billiger.

Auch Unternehmen und Banken, die sich international finanzieren wollen, profitieren von einem besseren Länderrating. Nach der Heraufstufung durch Moody’s verbesserte die Agentur auch die Ratings zahlreicher brasilianischer Konzerne und Banken.

Die Verbesserung der Kreditwürdigkeit Brasiliens kam überraschend, da fast alle Investmentbanken und Ökonomen der Meinung sind, dass Brasiliens Haushaltsdefizit zu groß ist und die Verschuldung daher zu schnell steigen wird. Kaum jemand erwartet, dass die Regierung ohne Berücksichtigung der Zinszahlungen einen ausgeglichenen oder gar positiven Haushalt erreicht.

Ein solcher Primärüberschuss wäre aber notwendig, um den Finanzmärkten ein Signal zu geben, dass die Verschuldung wieder sinken wird. Andernfalls sind weitere Zinserhöhungen notwendig, um Investoren zu überzeugen, Brasilien Geld zu leihen. Schon jetzt liegt der Leitzins bei hohen 10,75 Prozent.

Tatsächlich ist die Staatsverschuldung Brasiliens seit Beginn der aktuellen Regierung um fast zehn Prozentpunkte gestiegen. Fitch Rating etwa befürchtet, dass die Verschuldung im kommenden Jahr auf 84 Prozent des Bruttoinlandsprodukts BIP steigen könnte (von 72 Prozent Anfang 2023).

Doch Moody’s lässt sich von solchen Befürchtungen nicht beeindrucken. Für die Agentur ist vor allem das nun schon im dritten Jahr besser als erwartete Wachstum der Grund dafür, dass Brasilien dank höherer Steuereinnahmen seine Schulden zurückzahlen kann. Auch die Reformen der letzten Jahre (wie die Autonomie der Zentralbank, die Rentenreform oder strengere Corporate-Governance-Regeln für Staatsunternehmen) haben die Produktivität Brasiliens erhöht.

Das ist ein überraschend gutes Zeugnis für die Wirtschafts- und Finanzpolitik der Regierung. Zumal Moody’s nicht nur das Rating verbessert, sondern auch einen positiven Ausblick gegeben hat.

Moody’s ist nun optimistischer als die beiden anderen großen Ratingagenturen. Standard & Poor’s und Fitch bewerten das Land mit BB, zwei Stufen unter Investment Grade, der Ausblick ist bei beiden stabil.

Unter den sechs größten Volkswirtschaften Lateinamerikas ist Brasilien derzeit neben Argentinien das einzige Land ohne Investmentgrade-Rating. Chile, Mexiko, Peru und Kolumbien haben das Gütesiegel der Agenturen.

Doch für alle diese Volkswirtschaften haben sich die Aussichten aus Sicht der Rating-Experten in diesem Jahr verschlechtert. Mittelfristig könnten Herabstufungen folgen. Vor allem die schwachen Wachstumsaussichten in Lateinamerika haben die Agenturen skeptischer werden lassen.

Die Heraufstufung des Länderrisikos Brasiliens ist daher ein positives Signal inmitten wachsender Skepsis.

São Paulo
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