Argentinien ist Südamerikas Erfolgsgeschichte des Jahres

Präsident Milei hat das Land in einer schweren Krise stabilisiert. Nun muss er seinen Reformkurs fortsetzen. Für Südamerika wäre eine weitere Erholung der zweitgrößten Volkswirtschaft des Kontinents wichtig.

von Alexander Busch, Lateinamerika-Korrespondent für Handelsblatt und NZZ

 

Vor genau einem Jahr trat der politische Quereinsteiger Javier Milei sein Amt als Präsident Argentiniens an.

Man kann ohne Übertreibung sagen: Milei hat es geschafft, dass Argentinien und seine Politik international wieder beachtet werden. Die Politik des Libertären polarisiert viele Menschen weltweit. Inzwischen ist „Milei“ als Schlagwort sogar Teil des Wahlkampfes in Deutschland geworden.

Mileis Bilanz nach einem Jahr kann sich sehen lassen:

Inflation gesenkt

Es ist gelungen, die Inflation deutlich zu senken. Statt über 20 Prozent im Monat liegt sie jetzt bei knapp drei Prozent. Läuft alles nach Plan, könnte die Jahresinflation Ende nächsten Jahres auf 25 Prozent gesunken sein. Für argentinische Verhältnisse ist das wenig.

Staatshaushalt im Plus

Zudem erwirtschaftet die Regierung im Staatshaushalt keine Defizite mehr, sondern Überschüsse. Damit ist die Wurzel der jahrzehntelangen Inflation gekappt. Erreicht hat Milei dies durch Kürzungen der Staatsausgaben um – je nach Schätzung – bis zu 30 Prozent: Entlassungen von Staatsangestellten, Rentenkürzungen, die Streichung von Transferzahlungen an die Provinzen waren die entscheidenden Maßnahmen, um den Haushalt in die schwarzen Zahlen zu bringen.

Deregulierung vorangetrieben

Dazu werden Gesetze, welche die Wirtschaft und den Alltag der Argentinier belasten, abgeschafft oder geändert. Viele aus ihrer Sicht überflüssige Behörden und Ministerien wurden geschlossen. So will die Regierung die schwache Produktivität der Wirtschaft und der öffentlichen Verwaltung steigern. Dabei geht sie nach einem detailliert ausgearbeiteten Plan vor.

 

Das Reformprogramm hat Mileis Popularität nicht geschadet. Die Regierung hat die gleichen Zustimmungs- und Ablehnungswerte wie bei den Wahlen vor einem Jahr. Das ist besser als bei den Vorgängerregierungen. Mit der Stabilität ist das Vertrauen gewachsen, dass es 2025 besser wird. Die Armutsrate, die in diesem Jahr um elf Prozentpunkte gestiegen ist, beginnt wieder zu sinken.

Der Start war also beachtlich. Viele hatten damit gerechnet, dass sich der oft aggressiv auftretende Ökonom nur wenige Monate in der Casa Rosada halten würde.

Die Regierung Milei muss nun ihr Reformprogramm fortsetzen. Kurzfristig hat sie einige drängende Probleme zu lösen:

Hohe Preise

Zum einen ist Argentinien in den vergangenen zwölf Monaten zum teuersten Standort Südamerikas geworden. Das gefährdet die Industrie, die gegenüber den ausländischen Wettbewerbern kaum noch konkurrenzfähig ist – im Inland ebenso wie auf den Exportmärkten oder im Mercosur. Auch lokale Dienstleister (Tourismus, Rechenzentren) leiden unter den hohen Preisen.

Kaufkraft steigern durch neue Jobs

Zudem müssen schnell neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um die Kaufkraft der Bevölkerung und die Zustimmung zur Regierung zu erhöhen.

Kapitalverkehrskontrollen abschaffen

Entscheidend für Investoren wird aber sein, dass die Regierung im kommenden Jahr die Kapitalverkehrskontrollen schrittweise lockert und schließlich ganz aufhebt. Denn Investoren zögern, ihr Kapital ins Land zu bringen, wenn sie bei einer Abwertung Wertverluste erleiden könnten. Außerdem wollen ausländische Investoren Kapitalerträge und Dividenden zurückführen können.

 

Ein stabiles Argentinien ist wichtig für Südamerika. Die vielen Krisen der letzten Jahre haben vergessen lassen, dass das Land die zweitgrößte Volkswirtschaft des Kontinents ist. Ein führungsloses, chaotisches Argentinien wie in den letzten Jahren belastet Südamerika als Standort und Handelspartner.

Wenn das Land wieder Investitionen und Aufmerksamkeit auf sich zieht, stärkt das auch die Bedeutung des Mercosur. Die Widerstände in der EU gegen das Abkommen mit dem Staatenbund dürften geringer werden, wenn Argentinien wieder als vollwertiger Handelspartner auftreten kann.

Man kann also nur hoffen, dass Milei mit seinem Reformkurs auch weiterhin Erfolg haben wird.

Caminito, Buenos Aires, Argentinien
© Pixabay/Brigitte Werner

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