Chinas politischer Einfluss in Brasilien wächst

In Europa wird Brasilien vor allem wegen der Umwelt- und Amazonaspolitik der Regierung Bolsonaro kritisiert. Ein Dialog findet kaum mehr statt. China nutzt die Lücke und bekommt über die Nachhaltigkeitsagenda immer mehr Einfluss in Brasilien.

von Alexander Busch, Lateinamerika-Korrespondent für Handelsblatt und NZZ

In Brasilien häufen sich in den letzten Monaten die offiziellen Seminare zum Thema Nachhaltigkeit. Teilnehmer sind Vertreter von Staat, Regierung, Privatunternehmen und Verbände. Es geht um Nachhaltigkeit in den Handelsbeziehungen, zertifizierte Handelsketten bei Agro und Lebensmitteln, Dekarbonisierung der Wirtschaft, organische Lebensmittel und sogar über Reduzierung der Brandrodungen in Amazonas wird debattiert.

Das ist überraschend in einem Land wie Brasilien, wo gerade die Umwelt- und Regenwaldpolitik der Regierung im Zentrum der Kritik stehen. Ebenso überraschend ist, dass unter den ausländischen Teilnehmern bei diesen Debatten erstmals massiv China auftritt: Mit hochrangigen Ministern, Bankern und Vertretern der Akademie. Europäer sind – bis auf die Privatwirtschaft – kaum noch vertreten. Dabei gehört Nachhaltigkeit zu den Kernthemen der bilateralen Agenda zwischen Europa und Brasilien. Doch das ist Vergangenheit.

Inzwischen vergeht kaum eine Woche, in der Brasilien in Europa nicht an den Pranger gestellt wird. Dabei geht es vor allem um die Umwelt- und Amazonaspolitik Bolsonaros. Die Kritik trifft durchaus zu. Doch stellt sich die Frage, ob Europa überhaupt noch einen Dialog mit Brasilien will. Vielmehr scheint es, dass Europa gegenüber Brasilien die Türen zugeschlagen hat.

Diese Lücke nutzt Peking jetzt geschickt. Chinas Diplomaten haben eine Dialog-Offensive zum Thema Umwelt und Nachhaltigkeit gestartet.

Das ist strategisch klug. Denn die Großmacht aus Asien ist neben der USA und Europa der wichtigste Handelspartner Brasiliens und zunehmend einflussreich als Investor. Doch auch zwischen China und Brasilien knirscht es in den Beziehungen. Präsident Bolsonaro und einige seiner Vertrauten kritisieren China regelmäßig.

Doch davon unbeeindruckt arbeiten Chinas Diplomaten gemeinsam mit Vertretern der Regierung und Wirtschaft Brasiliens an einer neuen Nachhaltigkeits-Agenda. Dafür bietet China Finanzierungen an und will einen permanenten institutionalisierten Informationsaustausch zwischen den Staaten einrichten. Der soll auf allen Ebenen stattfinden, zwischen Regierungen, Unternehmern, Agro und Konsumenten. Wie zu erwarten, werden Themen wie Indigenenschutz oder Menschenrechte dabei nicht diskutiert. Aus Brasilien sind zahlreiche hochrangige Vertreter aus Unternehmen, Ministerien und Forschungsinstituten beteiligt. Das sind die Ansprechpartner, die sich jede EU-Delegation in Brasilien als Dialogpartner wünschen würde.

Doch ab jetzt redet China in Brasilien bei den Themen Umwelt, Konsumentenschutz und Nachhaltigkeit mit und bestimmt mit über die künftigen Normen und Regeln im dekarbonisierten Warenaustausch.

Über die Nachhaltigkeitsthemen bringt China geschickt seine politisch-technologische Agenda in die bilaterale Diskussion ein. Stichwort: Huaweis Beteiligung am 5G Netz. Denn wer kann gegen schnellere Handynetze sein, wenn diese Smart-Farming ermöglichen oder beim Aufbau zertifizierter, nachhaltiger Lieferketten helfen?

Europa sollte aufpassen, dass es wegen der fehlenden Dialogbereitschaft nicht vollends den Einfluss in Brasilien verliert.

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