Aus Brasilien kommen positive Signale für die Demokratien weltweit

Die Wahlen in Brasilien haben die zunehmende Erosion der Demokratien im Westen vorerst gestoppt. Der Rechtsstaat des fünftgrößten Landes der Welt hat sich behauptet.

von Alexander Busch, Lateinamerika-Korrespondent für Handelsblatt und NZZ

 

Brasiliens demokratische Institutionen haben in den letzten Tagen Bestnoten verdient: Drei Stunden nach Schließen der Wahllokale stand am Wahlsonntag das Wahlergebnis fest – im fünftgrößten Land der Welt mit 215 Millionen Bürgern. Im Vergleich: Bei den gerade stattfindenden Zwischenwahlen in den USA wird das endgültige Ergebnis erst nach Tagen erwartet.

In Brasilien erklärten unmittelbar nach der Bekanntgabe der Ergebnisse die Spitzen von Abgeordnetenhaus, Senat und Oberstem Gericht, dass die Wahl sauber verlaufen sei und es keinen Grund gebe, das Ergebnis anzufechten. Es ist höchst unwahrscheinlich, dass das Ergebnis doch noch in der Justiz hinterfragt wird. Gleichzeitig haben die Bürokratien und Politiker in Brasília reibungslos damit begonnen, den Machtwechsel vorzubereiten.

Auch als radikalisierte Anhänger Bolsonaros in den Tagen nach den Wahlen die Fernstraßen blockierten, weil sie die Wahlen für gefälscht hielten, behielt das Oberste Wahlgericht stets die Kontrolle über die Situation: Es wies die Sicherheitskräfte an, durchzugreifen – was diese auch taten. Zahlreiche einflussreiche Anhänger des Präsidenten und Wahlverlierers Bolsonaro aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft forderten ein Ende der Proteste.

Diese Demonstrationen haben derzeit an Schubkraft verloren, obwohl es bis zur Machtübergabe am 1. Januar 2023 durchaus weitere Unruhen geben könnte. Die Machtübergabe könnte immer noch holprig verlaufen. Das knappe Ergebnis der Wahlen hat in Brasilien viele Anhänger Bolsonaros enttäuscht zurückgelassen.

Positiv ist zudem, dass sich die brasilianische Demokratie dynamisch zeigt. Der in den letzten Jahren stattgefundene Rechtsruck in der Gesellschaft ist jetzt auch im Kongress und den Institutionen angekommen. Anders als in einigen Demokratien weltweit – etwa in Europa – zu beobachten, zeigt sich das Politiksystem Brasiliens damit als integrativ. Neue politische Akteure haben die Chance, über demokratische Wahlen an die Schaltstellen der politischen Macht zu kommen.

Das sind nach langer Zeit mal wieder erfreuliche Nachrichten aus dem globalen Süden, mit denen die Wenigsten gerechnet haben.

Brasília Kongress
© Pixabay/Daiana Sou

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