Lateinamerikas Ökonomien verlieren weiter an Wettbewerbsfähigkeit

Im neuesten IMD World Competitiveness Report schneiden die sieben größten Ökonomien der Region wie erwartet schlecht ab. Weil die dortigen Märkte jedoch deutlich größer sind als die der meisten Staaten weltweit, bleiben sie interessant für ausländische Investoren.

von Alexander Busch, Lateinamerika-Korrespondent für Handelsblatt und NZZ

 

Seit 1989 publiziert das International Institute for Management Development (IMD) aus der Schweiz sein jährliches Ranking der Wettbewerbsfähigkeit von Staaten. Dazu befragt das IMD World Competitiveness Center Unternehmer, Investoren und Managerinnen in 63 Staaten weltweit nach zahlreichen Kriterien, mit denen die Wettbewerbsfähigkeit gemessen werden kann.

Lateinamerika schneidet dabei besonders schlecht ab. Bis auf Chile gehören die anderen sechs Staaten der Region zu den Schlusslichtern der untersuchten Ökonomien. Peru (54), Mexiko (55), Kolumbien (57), Brasilien (59), Argentinien (62) und Venezuela (63) schneiden schlechter ab als fast alle Standorte weltweit.

Aber auch das besser bewertete Chile ist mit Rang 45 nur im unteren Drittel des Rankings gelandet. Das Andenland ist in den letzten fünf Jahren sogar zehn Positionen im Ranking abgestiegen. Gefolgt von Argentinien und Kolumbien, die von sechs bzw. fünf Staaten überholt wurden. Insgesamt haben jedoch alle sieben größte Ökonomien Lateinamerikas in den letzten fünf Jahren Positionen verloren. Nur Venezuela ist bereits seit 2017 das Schlusslicht im IMD-Report.

Doch bei einzelnen Punkten stehen auch andere Staaten auf den Schlusspositionen im Ranking. So belegt Brasilien bei der Ausbildung seiner Arbeitskräfte den schlechtesten Platz unter 63 Staaten. Argentinien bildet das Schlusslicht bei der Unternehmerfreundlichkeit sowie der Behandlung von ausländischen Investoren.

Die rechtlichen Rahmenbedingungen für Unternehmer sind in fast allen Staaten schlecht. Die geringe Rechtssicherheit wiederum ist der entscheidende Grund, warum Investoren ihr Kapital nicht in Infrastruktur investieren. Sie fürchten, dass sich die Gesetze plötzlich ändern könnten und sie ihre Investitionen abschreiben müssen, wie das in Argentinien und Venezuela geschehen ist.

Grundsätzlich sind die Investitionen nicht nur in die Infrastruktur unterdurchschnittlich im weltweiten Vergleich. Auch in Humankapital und Technologie fällt Lateinamerika weit zurück.

Auffallend ist jedoch, dass ausländische Unternehmen und Investoren weiterhin überdurchschnittlich in der Region investieren. Das gilt vor allem für Brasilien und Mexiko, die größten Ökonomien Lateinamerikas, die rund die Hälfte der Bevölkerung und Wirtschaftskraft vereinen.

Das könnte an der Bedeutung der Binnenmärkte liegen. Betrachtet man die Marktgrößen der sieben wichtigsten Ökonomien, dann liegen sie weiterhin deutlich über dem Mittelfeld der untersuchten Staaten weltweit.

Der Schluss drängt sich auf, dass Lateinamerika vor allem wegen seiner großen Binnenmärkte für ausländische Unternehmen attraktiv bleibt – trotz der strukturellen Mängel der Region.

Wettkampf
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