Wer schnell und viel impft, der gewinnt rasant an politischer Popularität

Bisher haben sich Lateinamerikas Regierungen wenig erfolgreich erwiesen im Kampf gegen die Pandemie. Doch das ändert sich gerade: Staaten wie Chile, Brasilien und Mexiko haben schon mehr Menschen ihrer Gesamtbevölkerung geimpft als die meisten Staaten weltweit. Jetzt darf nur die Impfstoffversorgung nicht stoppen.

von Alexander Busch, Lateinamerika-Korrespondent für Handelsblatt und NZZ

 

Endlich einmal gibt es gute Nachrichten von der COVID-Front aus Lateinamerika: Wenige Wochen nachdem die Impfungen in rund einem Dutzend Staaten begonnen haben, stehen einige Länder bereits auf den Spitzenplätzen weltweit nach der Zahl der Erstimpfungen. Das gilt für Chile (Platz 5), Brasilien (8) und Mexiko (9) nach Anzahl der Impfungen pro 100 Einwohner, so Our World in Data (OWID) von der Universität Oxford. Aber auch nach den verabreichten Impfzahlen liegt Brasilien mit knapp sechs Millionen verabreichten Dosen weit vor Deutschland, Frankreich oder Italien.

Am beeindruckendsten ist die Bilanz in Chile. Mit 12,43 Geimpften je 100 Einwohner rangiert das Andenland weltweit nach Staaten wie Israel, Vereinigte Arabische Emirate, USA und Großbritannien an der Spitze. In den vergangenen sieben Tagen wurden nur in Israel mehr Menschen geimpft als in Chile.

Der Grund für den Erfolg ist, dass die chilenische Regierung bereits Mitte letzten Jahres Impfdosen bei einer großen Zahl von Anbietern bestellt hat. 35 Millionen Dosen will die Regierung bereits gesichert haben. Bis Juni sollen 80 Prozent der knapp 19 Millionen Chilenen mindestens einmal geimpft sein.

Ob das funktionieren wird, ist derzeit nicht abzuschätzen: Voraussetzung ist, dass die Lieferungen an Impfstoffen anhalten.

Wie problematisch die Versorgungslage ist, das zeigt sich derzeit anschaulich in Brasilien. Obwohl die Regierung von Präsident Bolsonaro die Vorbereitungen der Impfkampagne aus politischen Gründen immer wieder behindert und verzögert, wurden in einem Monat bereits knapp sechs Millionen Menschen oder 2,77 von 100 Brasilianern geimpft. Doch nun stockt die Kampagne, weil die Seren ausgehen. Wann neue Dosen verteilt werden können, bleibt unklar.

Es scheint jedoch wahrscheinlich, dass auch Impfskeptiker in Lateinamerikas Politik bald in der Minderheit sein werden. Denn politisch können die Regierungen mit schnellen und effizienten Impfkampagnen nur gewinnen. Das zeigen die Erfahrungen in Chile: Dort hat der bis vor kurzem noch höchst unbeliebte Präsident Sebastián Piñera seit Anfang Januar um fünf Prozentpunkte an Popularität gewonnen, so das Umfrageinstitut Cadem. Die Hälfte der Bevölkerung hält die Arbeit der Regierung in der Pandemie für positiv. Vor zwei Wochen waren es nur ein Drittel der Chilenen.

Mit Massenimpfungen kann schneller als erwartet wieder Normalität im Alltag aufkommen. Das zeigen ebenfalls die Erhebungen in Chile: Statt zwei Drittel der Bevölkerung, wie Mitte Januar, ist jetzt nur noch etwas mehr als die Hälfte der Bevölkerung besorgt, sich mit Corona zu infizieren, so Cadem. Das heißt: Je schneller die Bevölkerung immunisiert ist, umso eher wird auch die Wirtschaft wieder wachsen. Das wird auch den Impfskeptikern zu denken geben.

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