Archiviert: Lateinamerika: “Out of the frying pan into the fire”?

Lateinamerika beginnt mit den Lockerungen der sozialen Isolation trotz weiter ansteigender Infektionszahlen. Für die Wirtschaft bedeutet das: Der Kontinent wird länger und stärker in der Rezession verharren als der Rest der Weltwirtschaft. Es gibt aber auch Lichtblicke.

von Alexander Busch, Lateinamerika-Korrespondent für Handelsblatt und NZZ

 

Die Investmentbank JP Morgan hat gerade ihren Lateinamerika-Ausblick für dieses Jahr veröffentlicht mit dem Titel, der für sich selbst spricht: „Out of the frying pan into the fire“, übersetzt etwa: „Aus der Pfanne direkt ins Feuer.“ Derzeit sieht es danach aus, als ob die wirtschaftliche Krise in Lateinamerika stärker ausfallen wird als im Rest der Welt – und die Region dazu noch länger brauchen wird, um sich von dem Einbruch zu erholen. Denn Lateinamerika versuchte nach dem Ende des Rohstoffzyklus die letzten fünf Jahre mehr oder weniger erfolglos wieder auf Wachstumskurs zu kommen – da kam die Corona-Krise dazu. „Die Auswirkungen von COVID-19 sind nicht nur eine weitere Bodenwelle für die lateinamerikanischen Ökonomien“, schreibt JP Morgan. „Es ist eher so, als sei das Fahrzeug von einem Felsvorsprung gestürzt.“

8,4 Prozent wird das Bruttoinlandsprodukt in Lateinamerika dieses Jahr schrumpfen. Für 2021 rechnet die Investmentbank mit einer eher statistisch als realwirtschaftlich bedingten Erholung und einem Wachstum in Höhe von 4,5 Prozent. Dennoch wird das regionale Bruttosozialprodukt nicht vor 2022 wieder an das Vor-Pandemie-Niveau heranreichen. Die Rezession wird am stärksten Peru (-12,7 Prozent) und Mexiko (-10,5 Prozent) treffen. In Chile (-5,2 Prozent) und Kolumbien (-6,5 Prozent) werden die Verluste am geringsten ausfallen.

Der Grund für die düsteren Aussichten sind in allen Staaten ähnlich: Die Länder beginnen die sozialen Isolationsvorschriften zu lockern, obwohl die Infektionszahlen noch weiter ansteigen. Zwar sind die Infektionszahlen im Vergleich zu vielen Staaten in Europa deutlich geringer – was jedoch zum Teil mit den fehlenden Tests zusammenhängt. Weiterhin besteht die Gefahr, dass die Regierungen die Kontrolle über die Ausbreitung der Krankheit verlieren. Zudem ist der Spielraum für staatliche Ausgabenprogramme beschränkt. Bereits 2021 müssen die Staaten wieder sparen, um ihre Staatsbudgets nicht überzustrapazieren.

Ein möglicherweise positiver Schock für Lateinamerika könnte eine schnelle Erholung in China bedeuten, mit wachsender Nachfrage und steigenden Preisen nach Rohstoffen aus der Region.

COVID-19 in Lateinamerika

Entwicklung der Fallzahlen in der Region


Aktuell gemeldete Fallzahlen in den einzelnen Ländern

Weitere News dieser Kategorie

Onshoring funktioniert in Lateinamerika, aber nicht wie erwartet
Wird Milei die großen Erwartungen erfüllen?
China startet eine neue Investitionsoffensive in Südamerika