Impfkampagnen in Lateinamerika laufen an – wenn auch etwas langsam

Die Hoffnungen, dass viele Lateinamerikaner schon gegen den Corona-Virus immun sein könnten, haben sich nicht bestätigt. Dazu kommt ein verlangsamter, teilweise chaotischer Start der Impfungen. Im besten Falle wird Lateinamerika Anfang 2022 die Kontrolle über die Pandemie haben.

von Alexander Busch, Lateinamerika-Korrespondent für Handelsblatt und NZZ

 

Als der Internationale Währungsfonds (IWF) vor wenigen Tagen seine Wachstumsprognosen für 2021 veröffentlichte, schien Lateinamerikas Wirtschaft auf dem Weg der Besserung: Um 4,1 Prozent wird die Region dieses Jahr wachsen, schätzt der Fonds. Das sind 0,5 Prozentpunkte mehr als der IWF noch vor drei Monaten erwartet hatte. Der Grund für die aufgehellten Aussichten: Die beginnenden Impfkampagnen sowie die erhofften weiteren staatlichen Hilfsprogramme für die Bevölkerungen werden die Rückkehr zur Normalität beschleunigen, prognostizieren die Ökonomen in Washington.

Doch die Hoffnungen haben sich zerschlagen: Alle Staaten der Region leiden unter einer heftigen zweiten Welle an Infektionen sowie den Mutationen des Corona-Virus. Die Erwartungen, dass in den Ballungszentren Lateinamerikas bereits eine hohe Rate an Immunität („Herdenimmunität“) erreicht sein könnte, haben sich nicht erfüllt.

Gleichzeitig laufen die Impfkampagnen chaotisch an. Bisher melden nur sechs der größten Staaten der Region erste messbare Impfungen. In 13 Staaten sind Impfstoffe zugelassen. Im Prinzip gleichen die Probleme Lateinamerikas bei der Pandemiebekämpfung denen der EU.

Dennoch sind die Staaten Lateinamerikas weitaus weniger in der Lage, Druck auf die Hersteller auszuüben oder mit hohen Geboten das Angebot an Impfstoffen kurzfristig zu erhöhen. Zwar dominieren die Seren von Oxford/AstraZeneca wie Pfizer/Biontech bei den Registrierungen der Sanitätsbehörden. Doch die Notzulassungen nützen wenig, wenn die Unternehmen kaum liefern können.

Dazu kommt, dass in Brasilien und Mexiko die Impfungen besonders chaotisch anlaufen. In den zwei bevölkerungsreichsten Länder Lateinamerikas zögern die Regierungen weiterhin, die Pandemie als ernstes Problem anzuerkennen und die Impfkampagnen entsprechend auf föderaler Ebene zu koordinieren.

China wie Russland dagegen nutzen ihre Vakzine, um politische und wirtschaftliche Vorteile zu verhandeln. So haben die Telekombehörden in Brasilien jetzt plötzlich keinerlei Einwände gegen die Beteiligung des staatlichen chinesischen Telekomkonzerns Huawei bei den bevorstehenden G5 Mobilfunkausschreibungen. Zuvor hatte aus China die Lieferung des Serums ausgesetzt. Nun sollen die Zulieferungen wieder anlaufen.

Hoffnungen auf das Impfprogramm Covax der Weltgesundheitsbehörde (WHO) können sich nur acht der ärmsten Länder in der Region machen. Doch auch die Kampagne ist noch nicht angelaufen.

Die WHO rechnet nun damit, dass Lateinamerika vermutlich erst Anfang 2022 die Pandemie unter Kontrolle bekommen wird.

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