COVID-19 ist zurück – auch in Lateinamerika

Die Prognosen über die Auswirkungen der schnellen Verbreitung der Infizierungen fallen schwer, wie überall auf der Welt. Es ist gut möglich, dass die hohe Inflation dieses Jahr die Ökonomien in der Region stärker belasten könnte als der Virus.

von Alexander Busch, Lateinamerika-Korrespondent für Handelsblatt und NZZ

 

Wie bisher im Verlauf der Pandemie, erreicht auch die neue Infektionswelle Lateinamerika mit rund zwei Monaten Verspätung. Aber nun mit voller Wucht: Zum Jahreswechsel noch schätzte die Investmentbank Goldman Sachs die Zahl der Infizierungen in der Gesamtregion auf 100.000 Fälle. Doch allein in Argentinien, das derzeit der Vorreiter an Infektionen mit der Omikron-Variante zu sein scheint, gibt es derzeit täglich über 135.000 Erkrankungen. In Brasilien sind es rund 100.000 Fälle – obwohl die Zahl der Tests verschwindend gering ist und die Statistiken kaum zuverlässig sind, seitdem Hacker die Rechner der staatlichen Gesundheitsbehörde lahmgelegt haben.

Die explodierenden Infizierungen führen zu höheren Auslastungen der Krankenstationen. Die Behörden in den Ländern setzen darauf, dass der Anstieg ähnlich heftig aber weniger langwierig und tödlich verlaufen wird. So wie in Großbritannien oder Südafrika. Im derzeitigen Sommer in Südamerika und nach zwei Jahren Pandemie zögern die Regierungen, neue Lockdown-Maßnahmen zu verhängen.

Dennoch fallen die Prognosen über die Auswirkungen der Omikron-Welle schwer: Goldman Sachs etwa rechnet damit, dass die Neuinfizierungen die Ökonomien in der nächsten Zeit belasten werden, da wieder freiwillige und obligatorische Lockdown-Maßnahmen für Dienstleistungen und Mobilität eingeführt werden dürften. „Das geringe Risiko von Krankenhausaufenthalten und Todesfällen sowie die sinkende Bereitschaft der politischen Entscheidungsträger strenge Maßnahmen durchzusetzen sowie weitere Fortschritte bei der Impfung dürften die Auswirkungen auf die Wirtschaftstätigkeit jedoch begrenzen.“

Für Oxford Economics bleibt Lateinamerika die weltweit am meisten gefährdete Region – obwohl in vielen Ländern weitaus mehr Menschen geimpft sind als etwa in Europa: Mindestens eine Impfung erhalten haben die Menschen in Chile (90 %), Argentinien (85 %), Uruguay und Ecuador (jeweils 80 %) und Brasilien (78 %). Dennoch ist die Bevölkerung wegen der schwachen Gesundheitsinfrastruktur bedroht. Rekordzahlen an Infizierungen führen auch zu schweren Krankheitsverläufen. Das macht sich jetzt vor allen in den abgelegenen Regionen in Südamerika bemerkbar, wo bisher noch gar nicht geimpft wurde.

Dennoch machen einzelne Ökonomen in der hohen Inflation eine größere Bedrohung für das Wachstum in Lateinamerika aus als durch die neue Welle an Covid-Infizierungen. So sind die Inflationsraten in Brasilien (10 %) und in Mexiko (7,4 %) auf dem höchsten Stand seit zwanzig Jahren. Die Preiserhöhungen für Lebensmittel und Energie sind die entscheidenden Gründe.

Die Zentralbanken werden die Zinsen weit überdurchschnittlich erhöhen müssen, um die weitere Geldentwertung zu stoppen. Und trotzdem wird unsicher sein, ob die monetären Maßnahmen schnell greifen werden. Denn die Inflation in diesen Ländern wird zunehmend importiert.

COVID-19 in Latin America

Development of case numbers in the region


Currently reported cases in the countries


COVID-19 vaccine doses administered


Share of people vaccinated by country

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